von Hansfried Münchberg

Kein Himmel voller Geigen …
die Gronauer werden schon lange „zugedröhnt“ am Himmel

Seien wir ehrlich, so ganz ruhig war der Himmel über Gronau schon lange nicht mehr. In unserer Kindheit, in den frühen 50er Jahren, war es für uns selbstverständlich, alle paar Minuten die Rotznase in den Himmel zu stecken, um zu ergründen, welches lärmende Ungeheuer da gerade über uns hinwegdonnerte. Selbstredend konnten wir nach kurzer Zeit die Maschinen nach Typ, Geräusch und Erscheinungsbild sortieren. Wir waren damals schon frühe „Planesppotter“, obwohl es diesen Begriff noch gar nicht gab, wenn auch ohne Fotoapparat.

Inzwischen ist die Luftverkehrswalze über Gronau hinweggedonnert und so ist es nicht verwunderlich, daß nun ein Container mit einer Fluglärmmeßstation in unserem Dorf aufgestellt wurde.

Doch wie hat sich das Alles so entwickelt?

Klar, den Flugplatz Frankfurt Rhein Main gab es schon seit 1936, von hier aus starteten bald Militärflugzeuge der Luftwaffe u.a. zu unheilvollen Bombenangriffen mit Ziel Frankreich.

Überragende Bedeutung aber bekam Rhein-Main mit dem Beginn der Berliner Blockade und der Aufnahme der Luftbrücke. Dummerweise ging die Route des Flugkorridors Frankfurt – Berlin genau über Gronau hinweg.

Briefmarke mit Beschriftung Luftbrücke, Berlin und vielen Flugzeugen
Ungefähr so dicht flogen die Flugzeuge für die Luftbrücke
Briefmarke der Deutschen Bundespost Berlin (1959)
zum zehnten Jahrestag der Beendigung der Berlin-Blockade

Der erste Flug der Luftbrücke soll schon am Abend des 23. Juni 1948 stattgefunden haben, die Versorgungsflüge endeten am 27. August 1949.

Die Flüge der amerikanischen Luftwaffe starteten von Wiesbaden Lindsey Air Station/Flugplatz Erbenheim und der Rhein-Main Air Base Frankfurt .
An insgesamt 430 Tagen wurden aus den Rhein-Main-Gebiet etwa 190 000 Flüge der US-Air-Force nach Berlin durchgeführt.
Das entspricht etwa 440 Flügen pro Tag oder alle drei Minuten ein Flugzeug, (auf 24 Stunden gerechnet).

Man kann also nicht davon sprechen, daß der Himmel über Gronau damals ruhig gewesen wäre. Noch dazu gewannen die Propeller – Maschinen beim Start nicht so schnell an Höhe, wie das heute üblich ist. Sie flogen in sehr geringer Höhe über unser Dorf hinweg, man meinte, die Gesichter der Piloten erkennen zu können.

Die eingesetzten Maschinen vom Typ C-47 Skytrain (zweimotorige) beziehungsweise deren ziviles Pendant DC-3 mit einer Zuladung von maximal 3 Tonnen Ladung, wurden bald durch die größeren viermotorigen C-54 Skymaster bzw. deren Zivilversion DC-4 ersetzt, die immerhin 9 Tonnen Ladung tragen konnten und auch schneller, aber auch sehr viel lauter waren.

Außerdem war natürlich noch reger militärischer Luftverkehr seitens der Amerikaner, es flogen die auffälligen Dreirumpfmaschinen vom Typ Lockheed P-38 Lightning, Jäger vom Typ Tomahawk, Mustang, Warhawk, Bomber vom Typ Consolidated B-24 Liberator und viele mehr. Neben diesen Propellermaschinen flogen später auch Düsenjäger gerne in niedriger Höhe.

Das einzige deutsche Flugzeug, was den Weltkrieg wohl überlebt hatte, war ein „Fieseler Storch„, eine kleine, langsame, einmotorige Maschine, die ziemlich häufig über Gronau hinwegflog.

Seit dem Jahr 1950 kam auch der zivile Luftverkehr in Frankfurt Rhein-Main wieder in Schwung. Es tauchten die viermotorigen Propeller – Maschinen vom Typ Lockheed Constellation und Super Constellation, mit dem markanten, dreifachen Seitenleitwerk, sowie die DC 6 und DC 7 von Douglas am Gronauer Himmel auf..

Nach Ende der Luftbrücke begann verstärkt der zivile Flugverkehr, so gab es 1953 etwa 100 bis 120 Flüge täglich. Seither stieg die Zahl der Flüge kontinuierlich über die Jahrzehnte an. Eine Statistik des Flughafens Rhein Main weist für 1950 etwa 13 000 Flüge aus, 1960 waren es schon 85 000, im Jahr 1970 waren 195 000 Flüge zu verzeichnen. Mit 464 000 Flugbewegungen im Jahr 2010 hatte sich der Luftverkehr in 60 Jahren auf mehr als das Fünfunddreißigfache gesteigert.

So ist es wohl nachvollziehbar, daß lärmgeplagte Gronauer das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig begrüßen, welches das durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof ausgesprochene Nachtflugverbot bestätigt. Damit sind die 17 Flüge zwischen 23 und 5 Uhr einkassiert, die die hessische Landesregierung genehmigt hatte.

Nun ist zwar keine Ruhe, aber wenigstens während der Nacht können die Gronauer mal ein Auge zudrücken.

Nach der Fluglärm – Messung

„Nach Gesetz zwar keine Schutzzone, aber dennoch belastend“

Gemeinsame Stellungnahme der Stadt Bad Vilbel, BI „Bad Vilbel minus Fluglärm“ und BI „Karben minus Fluglärm“

Im Zeitraum vom 4. April bis zum 3. Juli 2012 wurden anhand einer mobilen Messstation die Fluglärmeinwirkungen am Messpunkt Festplatz des Bad Vilbeler Stadtteils Gronau gemessen. Der Standort der Messanlage war mit der Bürgerinitiative „Bad Vilbel minus Fluglärm“ abgestimmt. Die ergebnistechnischen Resultate wurden nun der Stadt Bad Vilbel bzw. Bad Vilbels Erstem Stadtrat Jörg Frank übermittelt. „Die Messung wurde hauptsächlich durchgeführt, um Aufschluss über die Fluglärmbelastung nach der im März 2011 vorgenommenen Verschiebung der nördlichen Gegenanflugrouten aufgrund der Inbetriebnahme der neuen Landebahn am Frankfurter Flughafen zu erlangen. Nun haben wir erstmals objektive Messdaten nach DIN 45643, die es nun zu analysieren gilt und durch die wir uns harte Fakten über den Dauerschallpegel über unserer Stadt Bad Vilbel erhoffen“, erläuterte Jörg Frank im Vorfeld.

Gemeinsam mit dem Sprecher der BI „Bad Vilbel minus Fluglärm“, Dr. Ronald Kasten, dem Sprecher der BI „Karben minus Fluglärm“, Oliver Dietz, und dem Umweltmediziner Dr. Dieter Kobosil wertete Bad Vilbels Erster Stadtrat Jörg Frank die gewonnenen und vom Lärmschutzfachmann Prof. Dr. Rüdiger Storost kommentierten Ergebnisse nun aus:
Während der Tagzeiträume zwischen 6 – 22 Uhr waren insgesamt 13.762 Flugbewegungen (2.494 Ab- und 11.268 Anflüge) oder durchschnittlich 153 Flugbewegungen pro Tag zu verzeichnen. Innerhalb der Nachtzeiträume von 22 – 6 Uhr fanden 1.158 Flugbewegungen (274 Ab- und 884 Anflüge) oder durchschnittlich 13 Flugbewegungen pro Nacht statt. Aus den Messwerten ergibt sich ein energie-äquivalenter Dauerschallpegel von 48 dB(A) für den Tagzeitraum und von 40 dB(A) für die Nacht. Beide Werte liegen damit unter den für Fluglärm zulässigen Werten von 55 dB(A) am Tag und 50 dB(A) in der Nacht. Nach den vorliegenden Messergebnissen gilt das Stadtgebiet von Bad Vilbel damit im Sinne des Fluglärmgesetzes nicht als so stark belastet, dass ein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen besteht.

„Die Messung selbst und die Aufarbeitung der Zahlen durch Prof. Dr. Storost sind einwandfrei, absolut seriös und entsprechen den Vorgaben einer solchen Messung. Aber auch wenn die aktuell geltenden gesetzlichen Werte im Rahmen des Fluglärmgesetzes eingehalten werden, sind wir mit der aktuellen Situation über Bad Vilbel unzufrieden. Die Menschen in unserer Stadt sind durch die Intensität des Fluglärms, resultierend aus den zahlreichen Flügen verbunden mit den hohen Lärmpegeln, die in Spitzen (sog. Peaks) bis 74 dB(A) erreichen, gesundheitlich beeinträchtigt. Wir teilen daher die Auffassung des Umweltbundesamtes und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass eine körperliche Belastung bereits ab einem Dauerschallpegel von 40 dB(A) einsetzt. Problematisch ist auch, dass der Stadt Bad Vilbel und auch anderen Kommunen rechtlich die Hände gebunden sind, weil eben nicht gegen genanntes geltendes Recht verstoßen wird“, ziehen Stadtrat Frank, Dr. Kasten, Dr. Kobosil und Dietz ein erstes Fazit.

„Die gemessenen knapp 15.000 An- und Abflüge im Vierteljahr sind ein bedenklicher Ist-Zustand. Durch die geplante Erhöhung der Kapazität mit der neuen Landebahn-Nord am Frankfurter Flughafen soll diese Zahl noch deutlich gesteigert werden. Je mehr Flugbewegungen es aber über Bad Vilbel und der Region gibt, desto schädlicher sind diese für die Gesundheit, weil der Dauerschallpegel automatisch ansteigt. Wir sprechen uns daher gemeinsam für folgende Forderungen aus:
– eine Deckelung der Flugbewegungen maximal auf den aktuellen Status quo
– eine deutliche Anhebung der Abflüge von aktuell 6.000 auf 8.000 Fuß.“

Von der Deutschen Flugsicherung als zuständiger Behörde wurde zwar eine Anhebung der Flughöhen für die vom Flughafen abfliegenden Maschinen auf der Bad Vilbel betreffenden Flugroute von 5.000 auf 6.000 Fuß beschlossen. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass diese häufig nicht eingehalten werden. Dadurch und zusätzlich durch das frühe Verlassen der offiziellen Flugroute nach Westen wird die Quellenstadt fast in Gänze unnötig stark belastet. Eine Anhebung der Abflüge auf 8.000 und die der Gegenanflüge auf 11.000 Fuß würde eine erhebliche Entlastung für die Region bringen! Diese Lösung wird von anderen internationalen Großflughäfen schon erfolgreich praktiziert, alle sicherheitsrelevanten Aspekte der Luftfahrt würden ebenfalls eingehalten. Die Fluggesellschaften scheuen sich einzig deswegen davor, weil die Maschinen bei diesem steileren Abflug schlichtweg mehr Kerosin verbrauchen würden und es daher aus deren Sicht unwirtschaftlicher wäre.

„Auch wenn die Messergebnisse besagen, dass Bad Vilbel nach dem Gesetz nicht als zu stark belastet eingestuft wird, werden wir dennoch aufgrund der bestehenden Belastung uns gemeinsam für die Umsetzung der genannten Forderungen einsetzen, um den Lärm und den damit einhergehenden gesundheitlichen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger zu minimieren“, sind sich die beteiligten Experten einig.

Jörg Frank Dr. Dieter Kobosil
Erster Stadtrat Stadt Bad Vilbel Umweltmediziner

Dr. Ronald Kasten Oliver Dietz
Sprecher der BI Bad Vilbel minus Fluglärm Sprecher der BI Karben minus Fluglärm