1914 – Der erste Weltkrieg beginnt

zusammengetragen von Hansfried Münchberg

Frühsommer 1914

An Krieg dachte in dieser Zeit Gronau niemand.
Das Leben nahm seinen gewohnten Gang.
Die Felder waren bestellt, die Bäume trugen bereits, wenn auch noch nicht reif, Früchte. Der Gemeindevorsteher des Ortes war der Landwirt Christian Wilhelm Wenzel, der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde war Pfarrer Boos.

Doch plötzlich brach dieses Unglück über die Völker Europas herein, angestachelt durch überbordenden Patriotismus, Selbstgefälligkeit und Eigensucht der Herrschenden, teilweise auch aus Neid und Missgunst sowie tiefsitzenden Vorurteilen gegenüber den Nachbarstaaten.

Am 28. Juni 1914 war in Sarajewo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau von dem Serbischen – großserbischen Nationalisten Gavrilo Princip ermordet worden.

Das sollte den Anstoß geben zu dem größten aller bisherigen Kriege.

Am 23. Juli, abends 6 Uhr, übermittelte der österreichische Gesandte in Belgrad der serbischen Regierung eine sehr scharf gehaltene Note, in der serbische Offiziere der Mitwirkung bei diesem gegen Österreich gerichteten Vorgang beschuldigt wurden und in der bis zum 25. Juli, abends 6 Uhr rasche Abhilfe gefordert wurde. Die Erklärung Serbiens fiel unbefriedigend aus.

Daraufhin brach Österreich die diplomatischen Beziehungen mit Serbien ab und befahl am 26. Juli die Teilmobilmachung zwischen Serbien und Belgrad.


Führte sein Volk in den Ersten Weltkrieg, Kaiser Wilhelm II.

An demselben Tag kehrte der deutsche Kaiser Wilhelm II., seine Nordlandreise unterbrechend, von England in die deutschen Gewässer zurück, und Frankreich sowie England boten sich als Vermittler zwischen Österreich und Serbien an. Am 27. Juli trafen der Kaiser und die Regierung Regierung in Berlin ein.

Am 28. Juli erklärte Österreich an Serbien den Krieg um die Mörderbande zu bestrafen. Sofort bemühte sich der Kaiser, den Krieg auf die beiden Staaten zu beschränken, auch der Zar von Russland stellte sich so, als ob ihm viel daran gelegen sei und hat am 30. und 31. Juli in einigen Depeschen den deutschen Kaiser für den Frieden tätig zu sein.

Inzwischen hatte derselbe Zar aber schon die russische Mobilmachung gegen Österreich und gegen Deutschland befohlen.

Darum erklärte der Kaiser am 6. Juli den Kriegszustand in Deutschland und befahl, als Russland trotz dieser Vorstellung seinen Mobilisierung nicht rückgängig machten, am 1. August abends 6 Uhr die Mobilisierung in Deutschland. Als erster Mobilisierungstag galt der 2. August, ein Sonntag.

Der Krieg beginnt auch für Gronau

Kurz danach mussten bereits erste Gronauer, einige Landwehrmänner, zum Kriegsdienst antreten, die aber nachher noch öfter von Hanau aus auf Urlaub nach Hause kamen. Nur in den ersten 14 Tage des Kriegs musste keiner aus dem Dorf an die Eisenbahn und den Dorfeingang um sich zum Militär zu melden.

Am Abend, des 2. August hielt der Gronauer Pfarrer, ganz in vaterländischer Gesinnung, dann einen Gottesdienst zur moralischen Stärkung der Hinausziehenden und der Zurückbleibenden

Pfarrer Boos berichtet: “Wir empfanden die gewaltige Kraft, die Gottes Wort hat, das trösten und aufrichten kann auch in der größten Not. Viele Tränen sind geflossen in diesen Tagen. Besonders wenn an den verschiedenen Mobilmachungstagen die verschiedenen Gruppen der Krieger unser Dorf verließen.

Fast als alle fort waren und die Hausarbeit unsere Hände verlangte, legte sich die allgemeine Erregung ein wenig. Nun galt es, in den Kriegsgottesdiensten, die sonntags und mittwochs als Abendgottesdienste gehalten wurden, die Herzen fort und fort zu der … Nähe, der Ruhe in Gott zu führen, der uns diese Kriegslast gesendet hat und sie uns zu unseren Besten will dienen lassen.“

Bereits zu Anfang des Krieges, im August 1914 trugen der Bäckergeselle Johann Gebhart, sowie Heinrich Holl, die beide an der belgischen – französischen Grenze Verwundungen leichter Art davon.

Inzwischen hat der hässliche Kriegsverlauf das deutsche Land, auch Belgien und Frankreich erreicht, dort seine Fortsetzung genommen und in Russland habendie österreichischen Truppen erste Erfolge errungen. Des Kaisers Lieblingsspielzeug, die deutsche Flotte hat schon einige Erfolge errungen.

„Was ist das für eine gewaltige Kampfbegeisterung in unserem Volk, und was für eine Einmütigkeit!“ berichtet der Chronist.

Männer
Typisches Militärfoto aus dem Jahr 1916

Gute Ernteerträge im ersten Kriegsjahr

Durch Zusammenarbeiten einiger Familien und infolge des herrlichen Erntewetters, wie es seit Jahren nicht erlebt wurde, ist es gelungen, die Ernte in gutem Zustand nach Hause zu kriegen.

Auch ist eine vorzügliche Grummeternte erzielt worden.

Wie die Getreideernte, so konnte auch die Kartoffelernte bei sehr gutem Wetter eingebracht werden und brachte reichen Ertrag.

Solch ein Erntejahr hat noch niemand erlebt, schreibt der Chronist, da trotz des Mangels der Arbeitskräfte die Ernte gut eingebracht werden konnte, bei einem Wetter, wie man sich nicht besser wünschen konnte.

Materielle und moralische Unterstützung der Soldaten durch die Gronauer

An der Kriegsfürsorge hat sich die Gemeinde bis jetzt insofern beteiligt, als zwei schwere Wagen mit Erntemitteln für die deutschen Truppen an den Bahnhof in Vilbel gebracht worden sind.

Außerdem sind bereits über 900 M. Beiträge eingegangen zur Unterstützung bedürftiger Frauen und Familien von Kriegsteilnehmern.

Den Kriegern im Felde ist das Kriegs-Gebet-Büchlein „Gott mit uns“ von Generalsuperintendent G. Möller übersandt worden.

Peter Schmitt, ein auswärtiger Schmiedegesell, der einige Jahre bei Schmied Wenzel in Diensten war, und von hier aus in den Krieg gegangen ist, ist am 30. August 1914 in Belgien verunglückt und auf dem Friedhof in …. (?) begraben. Er war ein tüchtiger Schmiedegesell und hat auch als Soldat im 3. Eisenbahnregiment treu seine Pflicht getan.

Von Phillip Arnold fehlt seit langer Zeit jede Nachricht. Er soll verwundet sein und wird seither vermisst. Von den Übrigen ist Wilhelm Gruner, Schwiegersohn der Witwe Empter, zurückgekommen und wird im Lazarett zu Großauheim bei Hanau gepflegt. Ebenso ist zurückgekommen ….

Gronau hilft den Soldaten

Verwundet wurde Karl Johann Kalbhenn, Sohn des G. A. Kalbhenn, weil er den rechten Unterarm gebrochen hat.

Er wird in Vilbel im Lazarett gepflegt, dorthin sandte die Gemeinde nun auch wöchentlich einen großen Korb mit Gemüse für die Verwundeten.

Außerdem sind aus der Gemeinde viele Hemden, Strümpfe, Streifen, Leibbinden und dergl. abgeliefert worden. Ein Teil dessen wird von hier aus an die Gronauer im Feld gesandt, das Übrige wird der Sammelstelle für Liebesgaben dem Lazarett zu Hanau zur weiteren Verwendung überlassen. An das Rote Kreuz sind 1000 M. abgeliefert worden.

Siegeszuversicht

Der Chronist berichtet in vaterländischem Überschwang ganz in der Sprache der Zeit: “Gott hilft uns auch wunderbar zur Durchführung dieses Krieges bis zum siegreichen Ende.

Auf den Kriegsschauplätzen sind wieder große Fortschritte gemacht worden. Mir erscheint, steht nun …. die Entscheidung nahe bevor.“

Hier irrte er allerdings gewaltig. Der Krieg sollte sich noch lange hinziehen und zu einem furchtbaren Ende kommen.

1. November 1914

In Belgien ist eine Entscheidung am 9. Oktober gefallen durch den Sieg bei Antwerpen und die Einnahme dieser „uneinnehmbaren“ Festung.

Da haben die Gronauer Glocken am 10. Oktober wieder einmal „Sieg“ geläutet

Verluste an der Front, Durchhalteparolen

Nur wenige Wochen später wächst aber bereits die Einsicht: “Die Feinde, besonders die jenseits des Kanals, wollen unser Volk aushungern.

Noch immer ist das Ende des Riesenkampfes nicht abzusehen. Die Feinde wehren sich mit dem Mut der Verzweiflung. Es geht um’s Leben, auch bei den Völkern. Furchtbar sind die Verluste in diesem schrecklichsten aller Kriege, besonders auf der Seite unserer Feinde. Aber auch unser Vaterland ist ein großes Trauerhaus geworden… „

Am 27. Oktober 1914 sind nun auch die ersten Landsturmleute W. Bauscher, Karl S. Schwind und Friedr. Arnold ausgerückt, letzterer ist jedoch wegen schlechter Gesundheit wieder entlassen worden.

1. Dezember 1914

Im November ist auch Philip Fassel, Sohn des Wirtes Fassel zum Ersatz-Landsturm-Bataillon nach Hanau eingezogen worden.

Die Kämpfe haben auf allen Kriegsschauplätzen einen für die deutschen Truppen und ihre Verbündeten erfolgreichen Fortgang genommen.

Siegesgeläut

Zweimal, am 16. und 26 November wurden durch Siegesgeläut bedeutende Erfolge der in Russland kämpfenden Heere gefeiert, die unter der Oberleitung des zum Generalfeldmarschall ernannten General v. Hindenburg sich den russischen Widersachern völlig gewachsen zeigen, wie der Bericht fortfährt.

„Noch ist der endgültige Sieg nicht erfochten, doch unsere Krieger, die gerne an Weihnachten wieder daheim gewesen wären, müssen sich nun darin finden, Weihnachten im Felde zu feiern.“

Die Weihnachtspakete sind in großen Umfang von den Gronauern ausgesandt worden. Außer den Weihnachtssendungen der Angehörigen sind aus der Gemeinde noch 30 Pakete des Vaterländischen Turnverein (mit etwa 150 Geschenken) zur Weihnachtsbescherung im Felde zugesandt worden, ferner sind vom Kriegerverein jedem Soldaten 25 Zigarren zugedacht worden.

Die wirtschaftliche Lage ist weiter günstig. Durch Festsetzung von Höchstpreisen für die wichtigsten Nahrungsmittel wird vorgesorgt, so daß eine Notlage kaum eintreten wird.

Im Monat Dezember sind aus der Gemeinde noch 1 Ersatzreservist und 5 Reservisten zum Dienst mit der Waffe eingezogen worden.

Der Chronist berichtet zum Ende des Jahres: “Gottlob ist auch nirgends ein Nachlassen des Mutes und der Ausdauer zu bemerken. Überall herrscht die unbeugsame Entschlossenheit durchzuhalten bis zum siegreichen Ausgang.

Leuchtende Beispiele an Opfermut und Treue bis in den Tod gibt unser tapferes Heer und unsere gewaltige See- und Luftflotte. Sie gaben uns immer neu die Gewissheit, dass Gott mit uns ist und dass der langwierige, mühsame und verlustreiche Krieg mit unserem Siege enden wird. In solcher Zuversicht sind wir dem Weihnachtsfest und dem Jahresschluß entgegengegangen.

An unsere Krieger sind am Anfang des Monats auch die letzten Weihnachtsgaben abgegangen. Außerdem hat jeder noch einen Weihnachts- und Neujahrsgruß von mir durch Feldpostbrief bekommen. In der Heimat sind die Kinder und Frauen bedürftiger Krieger mit Lebkuchen und Geldgaben beschenkt worden. Die Mittel dazu wurden unserer fortgesetzt laufenden Kriegssammlung entnommen.“

Eine dankbar begrüßte Weihnachtsfreude konnte dem Lazarett in Frankfurt a.M. – Seckbach, mit einer Sendung von etwa 35 Zentner Kartoffeln und 2 Säcken mit Gemüse bereitet werden, die von 28 Gronauern gespendet wurden.

Er wollte einen Streit schlichten und kam dabei zu Tode

Am 1. Weihnachtstag bekam die Familie des Friedrich Wilhelm Laupus aus der Kirchgasse die Trauer-Nachricht von Tode des Vaters und Bruders Karl Laupus, der bis zum Kriegsausbruch als Lehrer in Großkarben gewirkt hat, und der als Unteroffizier in der 5. Batterie des 9. Res. Fußartillerie-Regiments in Frankreich nördlich von Reims stand. Er ist durch einen sehr traurigen Unglücksfall am 11.XII. ums Leben gekommen.

Leutnant Adolf Karl, Sohn des Pfarrers in Wachenbuchen, der in der selben Batterie steht, berichtet darüber folgendes: „Die Mannschaften hatten Bier, und wie das eben so geht, haben sich einige betrunken. Es kam zu Keilereien zwischen ihnen, der eine der Leute, der in der selben Hütte wie Unteroffizier Laupus wohnt, wollte herein, der … Saß ganz friedlich am Tisch mit einigen anderen Leuten. Als er den wüsten Krach vor seiner Hütte hörte, wollte er wahrscheinlich herausgehen, um Ruhe zu stiften. In demselben Augenblick fiel ein Schuß, und Laupus stürzte tot zu Boden. Der Kerl, der in die Hütte gelaufen war, hatte dort seinen Karabiner ergriffen, um sich wahrscheinlich gegen die Leute zu wehren, mit denen er vorher Krach hatte. Der arme Wilhelm Laupus ist das Opfer geworden.“

Er wurde am 13. Dezember 1914 laut Bericht des Feldwebels Schaefler um 5 Uhr, unter starker Beteiligung anderer Truppenteile, auf dem Kirchhof des zerschossenen französischen Dörfchens Hermonville (?) in der Nähe von Reims begraben. In diesem Dörfchen trug sich am 12. Dezember gegen 11 Uhr abends der Unfall zu.

Später wurde seine Leichnam aus Frankreich nach Gronau überführt. Am 18. April 1915 wurde er auf dem Gronauer Friedhof beigesetzt. Es war ein wundervoller Frühlingstag. Die Gronauer Gemeinde war fast vollständig vertreten, auch ein großer Teil der Gemeinde Großkarben, wo Laupus Lehrer war. Die hier auf Urlaub befindlichen Soldaten trugen den Sarg. Der Feldkranz und der Gedenkstein, die vor Monaten auf das Grab in Frankreich gesetzt worden waren, sind mit hierher gebracht worden und haben auf dem Grabe Platz gefunden.

Die anderen Gronauer Soldaten sind noch unversehrt. … Fauerbach ist an Typhus erkrankt, aber auf dem Weg der Besserung.