von Hansfried Münchberg

Es war endlich wieder Sonntag !

Darauf freuten wir Kinder uns schon die ganze Woche, denn Sonntags gehörten Oma und Opa ganz uns, meinten wir jedenfalls. Unter der Woche mußte Opa immer sehr früh raus, da er schon vor sechs Uhr mit dem Zug nach Frankfurt zur Arbeit fuhr. Wir sahen ihn dann erst am Abend wieder, wenn er von der Arbeit heimkam. Wir gingen ihm dann schon immer zum Bahnhof „Gronau Hessen Nassau“ entgegen, zwar hatten wir keine Uhr, brauchten wir auch nicht, wir hörten ja die Dampflok des „Stockheimer Liesi“ schon von weitem heranschnaufen und beim „Dottenfelder Hof“ pfeifen, dann war noch genug Zeit um bis zum Bahnhof zu kommen.

Zeichnung eines Zuges mit Dampflok
Gronau`s Verbindung zur Welt in den 50er Jahren, das „Stockheimer Liesi

Auch an Samstagen wurde damals, in den frühen Nachkriegsjahren noch gearbeitet, wenigstens bis Mittag.

Aber Sonntag war Zeit für uns Buben.
Wir huschten dann, meist in aller Frühe, zum Kuscheln ins warme Bett. Opa oder Oma erzählte ein Märchen, im Normalfall mußte das Märchen vom „Knoten“ erzählt werden, das war sehr lustig und spannend, aber ich weiß nicht mehr, wie es ausging, obwohl wir das sicher mehr als hundertmal gehört haben. Sehr gerne hörten wir Musik im Radio, Sonntags gab es immer so eine Art Frühkonzert.

Wir löcherten unseren Großvater mit Fragen zu allerlei interessanten Dingen, sehr gerne hörten wir auch Geschichten vom Krieg, irgendwie hat das auf Knaben damals eine ziemliche Faszination ausgeübt.
Sonntags war Opa der Küchenmeister, auch das war für uns ein faszinierendes Erlebnis, denn Opa kochte gut und mit Leidenschaft und man sah ihm das Vergnügen schon bei der Vorbereitung zum Kochen an. So wurde er dann auch oft schon vor dem Aufstehen gefragt, was er denn so heute als Sonntagsgericht kochen würde.

Wir waren sein bestes Publikum. Oma war aus der Küche verbannt, gespannt saßen wir dann am Küchentisch und verfolgten jeden seiner Handgriffe, wie er die Messer wetzte, sein Ritual, bevor überhaupt mit dem Kochen begann. Alsdann wurde das dicke, große Holzbrett auf den Küchentisch gelegt und alle Zutaten bereitgestellt. Opa kannte alle Kräuter, die am Wegesrand , in Feld und Wald, wuchsen, er sammelte alle und verwendete sie auch sehr gerne, je nach Jahreszeit wurde Gemüse oder gesammelte Pilze als Beilage zubereitet, an Sonntagen gab es auch manchmal ein Fleischgericht, damals die absolute Ausnahme. Wer konnte sich schon Fleisch leisten ?

Aber Opa war ein „Organisationsgenie“ das heißt, er konnte so ziemlich Alles und er konnte so ziemlich alles „organisieren“, wie man damals sagte, wenn es um das Heranschaffen eigentlich nicht käuflicher Dinge ging.
Weil er ein geschickter Handwerker war, der den Gronauer Bauern gerne mal etwas reparierte, eine zerbrochene Fensterscheibe ersetzte oder ein Möbel reparierte, gab es die Entlohnung, damals üblicherweise, in Naturalien. So kam es, daß wir zu Ostern ein Zicklein oder Lämmlein hatten, gebratene Täubchen gab es ab und an, Hinkel und Enten hielten wir selbst, zu Weihnachten eine Pute oder Gans, gelegentlich auch mal ein Teil vom Schwein.

Heute war so ein Tag, es sollte gespicktes Kaninchen geben. Opa hatte schon Speck zu handlichen Stücken geschnitten und die Bratreine auf dem Herd vorgeheizt. Dann kam er mit dem geschlachteten Kaninchen herein.
Laut protestierend schworen wir, wir würden keinen Bissen von „Hansi“ oder „Lisa“ essen, weil wir das Tier doch liebevoll gestreichelt, mit Heu, Gemüseresten, trocken Brot gefüttert hätten, kurzum ein persönliche Beziehung hätten.

Foto eines Hasen
Sehr aufdringliches Tier

Lächelnd nahm uns Opa bei der Hand und ging mit uns ums Haus, zum „Hasekaste“.
Sie können sicher unsere Freude nachempfinden, dort mümmelten, stillvergnügt, alle vier, zur Familie gehörenden, Hasen vor sich hin.

Zurück ging es in die Küche, wir waren zwar beruhigt, aber doch neugierig, also fragten wir solange nach des Tieres Herkunft, bis uns Opa erzählte, er sei am Samstagabend doch noch zum Pilze sammeln gegangen. Kam uns schon komisch vor, Pilze sammelte er doch sonst immer morgens in aller Frühe. Dabei sei ihm, in der Nähe des „Gronaris-Sprudel“, auf der Weide an der Nidda, dort wuchsen die besten Wiesenchampignons, ein Heesje immer wieder hinterher gelaufen. Selbst auf dem Heimweg habe dieser Hase ihn verfolgt und sich nicht abschütteln lassen und so sei er letztendlich im Kochtopf gelandet.

Erst Jahre später kapierten wir, daß das nicht die ganze Wahrheit war, als wir nämlich das Kleinkalibergewehr fanden, das sehr sorgfältig unter den selbstgezogenen Tabakblättern vor uns Kindern und der Obrigkeit versteckt war.

Es war damals übrigens nicht erlaubt, Tabak selbst zu ziehen, ebenso war es nicht erlaubt, Gewehre zu besitzen wie es auch nicht erlaubt war, aufdringliche Hasen zu erschießen.