Von Hansfried Münchberg

Wenn in Gronau ein paar Kinder durchs Dorf liefen, die ein dickes Tuch um den Kopf gebunden hatten, vom Kinn über die Ohren und die Haare, oben auf dem Kopf zusammengeknotet, dann war „Mumps“ im Dorf.

Wir Kinder waren, weil wir ja ständig im Dreck spielten, resistent gegen allerlei Keime und Bakterien. So neumodische Krankheiten wie Neurodermitis, Hausstaub – Allergien, Tierhaar -Allergien oder Ähnliches, waren damals weitgehend unbekannt. Aber das war die Zeit, bevor Mütter auf die Idee kamen, Lego-Steine in der Spülmaschine chemisch zu reinigen oder Knuddelbären zu desinfizieren.

Wenn einer von uns an einer ansteckenden Krankheit erkrankt war, dann bekam auch der Rest der Dorf – Jugend die gleiche Krankheit innerhalb kürzester Zeit.

Das war dann „Einsatz“ für unseren Dorfdoktor, Dr. Burwinkel aus Vilbel.

Dieser, ein sehr freundlich dreinblickender älterer Herr, kam mit seinem Arztköfferchen in den Hand, regelmäßig, vielleicht sogar wöchentlich nach Gronau und verarztete alles was zu verarzten war. Er schaute uns durch die kreisrunden Gläser seiner Nickelbrille ernst und gleichzeitig fürsorglich an, "Mund auf, Zunge rausstrecken", Holzspatel rein, "AAAAH sagen".

"3 x täglich Mallebrin“ gurgeln, dann kommt das wieder in Ordnung. Im Zweifelsfall, bei „Loch im Kopp“ (von den harten Grabsteinen beim auf den Friedhof spielen), oder gequetschtem Finger (beim Schwertkampf mit unseren Haselnusssteckenschwertern zugezogen) Umschläge mit essigsaurer Tonerde, was auch gut bei Bienen- und Wespenstichen half.

Wir Kinder freuten uns immer auf den Doktor, weil er sehr lieb war und uns auch gerne noch mal und noch mal mit dem Stethoskop abhörte, auch wenn nur eine kleine Wunde zu verarzten war. Das war im Wesentlichen unsere ärztliche Versorgung.

Ernster wurde es, wenn die verrückten Amis, unsere Befreier, mal wieder auf die Idee kamen, eine Impfung anzusetzen. Das geschah damals in schöner Regelmäßigkeit. Man wurde so ziemlich gegen Alles geimpft, gegen was man geimpft werden konnte. Das war unter Anderem gegen Diphtherie, Scharlach, Röteln, Windpocken, Typhus, Kinderlähmung, Tetanus, vielleicht auch noch Fuchsbandwurm, Tollwut und was weiß ich noch alles.

Diese Impfungen führte der Amtsarzt durch. Der ging nicht von Haus zu Haus, sondern hatte seinen Impftisch im Gronauer Rathaus eingerichtet.

Das war für uns Buben etwas problematisch, wurde uns doch immer gedroht, „wenn ihr nicht brav seid, müsst ihr auf`s Rathaus!“ Dort saßen Respektpersonen wie der Bürgermeister oder auch manchmal der Gendarm, hilfsweise auch der Feldschütz. Mit denen konnte man uns schon kurzfristig beeindrucken.

Also, alles Sträuben half nichts, wir mussten zum Impfen auf`s Rathaus.

Dort saß dann im Amtszimmer ein ernsthaft dreinschauender Weißbekittelter. Auf dem Tisch, vor sich stehend, hatte er einen kleinen Spiritusbrenner, in dessen blauer Flamme er die Impfnadel desinfizierte. Anschließend ein kleiner Piks in den Arm, und ab nach draußen, nichts wie weg!

Trotzdem hatten wir jedes Mal Bammel, wenn es hieß, „wir müssen zum Impfen!“

Aber Masern und Mumps, auch Ziegenpeter genannt, haben wir wohl alle gehabt.