von Hansfried Münchberg

Bilder von Weihnachsdekorationen
Weihnachts-„Matrize“ um 1950

Unsere Familie war in Folge der Kriegsereignisse, genauer gesagt, durch das Bombardement der Stadt Hanau und die Zerstörung des Wohnhauses, nach Gronau gelangt.
In der kleinen Baracke, in der wir in Gronau untergekommen waren, war noch Platz für eine zweite Wohnung. Dort wohnte, in zwei Räumen, eine ebenfalls aus Hanau ausgebombte Dame mit ihren beiden Töchtern. Eine Tochter war ein Besatzungskind, was man unschwer an deren Hautfarbe erkennen konnte. Dieses Mädchen war vielleicht ein halbes Jahr jünger als ich. Es war uns zwar bewusst daß sie anders aussah, wir haben dieser Tatsache als Kinder aber keinerlei Bedeutung zugemessen. Die älteren Bewohner des Dorfes rümpften allerdings des Öfteren die Nase ob der ungewohnten Hautfarbe. Dies war wohl dem noch nicht ausgestandenen Bewusstsein der Nazizeit geschuldet.

Aber wie gesagt, uns Buben war das egal. Wir konnten mit ihr sehr gut spielen. Insbesondere eignete sie sich als das einzige greifbare Mädchen in der Nähe, sehr gut zu anatomischen Untersuchungen bei unseren Doktorspielen.

Das erste, woran ich mich aus meiner Gronauer Kindheit wohl bewusst erinnern kann, ist der Auftritt des Nicolaus in einem dicken braunen Wintermantel,mit weißem Bart aus Watte. Erstaunlicherweise hatte diese Ehrfurcht heischende Figur eine sehr helle Stimme. Begleitet wurde dieser von einem hessisch babbelnden Knecht Ruprecht, der in einen Kartoffel- Sack gewandet war, mit einer eisernen Kette rasselnd, das Gesicht rußgeschwärzt. Der sah irgendwie aus wie Fassels Karl, mit seinen wild vom Kopf abstehenden krausen rotblonden Haaren.

Wir Kinder hatten großen Respekt vor dem Nicolaus und Angst vor Knecht Ruprecht. Wie sich später herausstellte, war der Nicolaus bei uns Hoch-Buben die Frau von nebenan, wenig später war der Nicolaus bei den Nachbarn, dort hatte er allerdings eine dunkle, Stimme und eine Brille auf, wie sie unser Opa trug. Natürlich musste beim Nicolaus ein Gedicht aufgesagt werden.
Wir hatten große Angst davor, beim Rezitieren zu scheitern, so lernten wir es schon Tage vorher sehr eifrig auswendig.

Rainer kann sich noch an den Wortlaut des Gedichtes erinnern. Welcher da lautet:

Holzäpfelche Bäumche
Wie sauer ist dein Kern
Lieber, lieber Nikolaus
Was hab ich dich so gern
Ach du guter Weihnachtsmann
Guck mich nicht so böse an
Steck nur deine Rute ein
Ich will auch immer artig sein !

(Gedicht leicht „eingehessischt“)