von Rainer Hoch

Ein Schatz ist ja bekanntlich zunächst nichts Wertvolles, da er über viele Monate, Jahre , Jahrhunderte versteckt bzw. verborgen ist und somit niemandem nutzt. Erst durch das Entdecken bzw. Auffinden entsteht Glück und wird im Regelfalle für den Finder und Entdecker ein wertvoller Besitz (in diesem Zusammenhang sollte man auch mal die Redewendungen in Ehen und sonstigen Zweisamkeiten überdenken).

Wenn früher im Gronauer Spätherbst bei den Bauern nichts mehr auf den Feldern zu machen war.
Wenn das letzte Kartoffelfeuer verglimmt und die letzte Dickwurz eigefahren war.
Wenn die Bauern ihre Maschinen winterfest machten, Schäden reparierten und deswegen ständig in ihren Höfen anwesend waren.
Wenn wir Buben deshalb nicht ungestört in Scheunen, Stallungen, zwischen den Maschinen und dem „Viehzeug“ unser Unwesen treiben konnten.
Wenn auch der letzte Apfel, die letzte Birne, die vielleicht schon den ersten Frost überstanden hatte, durch gezielte Würfe mit Knüppeln, Erdschollen etc. vom Baum heruntergeholt und verzehrt war.
Wenn in Feld und Flur kaum noch eine Wal- oder Haselnuss mehr zu finden war.
Wenn noch kein Hochwasser, geschweige denn Schnee oder Eis in Sicht war.
Wenn es zum Fußballspielen oder Klickern zu matschig war.
Wenn nirgends, nie nichts los war……..ja dann stellte sich den Gronauer Buben nach der Schule die schwere Frage :

„Was könnte merr heut e ma mache“?

I m m e r kam einem dann die Idee :

Mir könnte ma widder kerschele.

Gesagt, getan. Kerschele ging natürlich nur auf der schon anderweitig erwähnten wilden Müllkippe am Steinbruch vor der 1. Hohl. Hier war nun schon einige Monate (!!) der Müll undurchstöbert und alle „Schätze“ waren noch unentdeckt und verborgen geblieben. Mit Stöcken, die den umliegenden Hecken „entnommen“ waren, wurde nun auf dem steilen Abhang des Steinbruches gestochert und gewendet.

Das „Schliemann-Fieber“ hatte uns ergriffen. Welchen Wert die gefundenen Exponate für uns Buben hatten, die andere Leute achtlos wegwarfen, lässt sich aus der Sicht von Außenseitern und Laien kaum ermessen.

So kann ich mich zum Beispiel erinnern, daß Erwin (Schecki) ein abgebrochenes Kitt-Messer aus meines Vaters Werkstatt fand. Mir war es dummerweise entgangen, daß dieser „Schatz“ in unserem Müll und dann zwangsweise im Steinbruch landete. So gab es nun einen neuen Besitzer, der es durch mühevolles „Umschleifen“ zu einem wertvollen Gegenstand machte, der ihm über viele Jahre nützliche Dienste erwies.

Es gab kaum eine sinnvolle Tätigkeit neben dem Kerschele, die den Erfindungsgeist stärker anregen konnte. Aus mancher kaputten Brille wurden hervorragende Brenngläser für das Anzünden des Lagerfeuers. Manches achtlose Stück Metall wurde zur wertvollen Speer- oder Pfeilspitze für die Jagd, usw. usw.

Einiges im Kerschel-Fundus war allerdings auch durch die Witterungseinflüsse über Wochen schon stark verrottet. Dies führte dazu, daß unsere Eltern abends naserümpfend die Frage stellten:

Wart ihr wieder kerschele ??????????