„Stockemer Liesi“ (Volksmund)

Diese Geschichte hat uns Frau Margrit Glaser, Schöneck zur Verfügung gestellt. Aus 100 Jahre Niddertalbahn 1907-2007

Aquarellzeichnung eines Dampfzuges vor dem Bahnhof Gronau HN

Eine ehemalige Nutzerin des „Stockemer Liesi“, früher sagte niemand „Stockheimer Lieschen“

Um 1949-1950 war das Fahren mit dem „Stockemer Liesi“ noch fast eine familiäre Angelegenheit, ich fühlte mich sehr gut aufgehoben, jeder kannte jeden, d.h. alle Pendler stiegen immer im gleichen Wagen ein, jeder hatte seinen Sitz oder Stehplatz.

Ich war damals Fahrschülerin, von Gronau nach Vilbel- Nord. Zeit war morgens immer sehr knapp bemessen.
Wenn ich auf dem Weg zum Bahnhof morgens um 6:30 Uhr auf der Höhe des Anwesens von Ottmar Laupus war, kam nach mir noch ein Schüler aus dem Tor gerannt und danach kam ein letzter Schüler per Fahrrad von Rendel.

Das „Stockheimer Lieschen“

Seinen landläufigen Namen verdankt
das Stockheimer Lieschen der früheren
Bahnhofsgaststätte in Stockheim, wo Reisende wie Bahnbedienstete gleichermaßen gerne bei Wirtin Liesel Brand einkehrten. Zunächst unter Bahnern, bald auch unter der Bevölkerung wurde die Fahrt „zum Lieschen“ nach Stockheim zum geflügelten Wort.

Quelle: wikipedia

So war die Reihenfolge, als der Zug im Bahnhof Gronau einfuhr, die Lokomotive hielt am Übergang der Bahnhofstraße. Der Zugführer sah die Bahnhofstraße hinunter, stellte beruhigt fest, daß die letzten Schäfchen im Anmarsch waren, der Schaffner prüfte ebenfalls die Bahnhofstraße Richtung Gronau, rief „auf auf“ und gab das Abfahrtssignal erst, nachdem wir alle eingestiegen waren. Der Schüler von Rendel ließ öfter sein Fahrrad fallen, denn es in den Schuppen zu bringen fehlte ihm die Zeit, dies erledigte dann der Bahnhofsvorsteher, nachdem der Zug abgefahren war. An diese Zeit denke ich manchmal mit etwas Wehmut zurück.

Einige Jahre später, ich arbeitete in Frankfurt, pendelte wieder von Gronau nach Frankfurt-West. In dieser Zeit war ich dann aber etwas früher am Bahnhof, stieg auch immer wieder im gleichen Wagen ein, es kannte auch wieder jeder jeden, jeder hatte seinen gleichen Sitz- oder Stehplatz, dies alles verlor nur seine Ordnung wenn mal ein „Fremder“ mitfuhr. Auf der Hinfahrt bekam ich ja nie einen Sitzplatz in Gronau, aber auf der Rückfahrt von Ffm-West, hatte ich auch immer meinen Sitzplatz, und dieselben Leute um mich herum.

Als ich eines Abends einstieg, sprang ein Herr auf und überreichte mir ein Päckchen mit den Worten „das haben Sie gestern beim Aussteigen vergessen“. Ich hatte tags zuvor etwas eingekauft, es ins Gepäcknetz gelegt und liegen gelassen. Ich war echt gerührt ob der Aufmerksamkeit und Fürsorge meiner Mitfahrer, es konnte nichts schiefgehen.

Noch einmal einige Jahre später, arbeitete ich für ein namhaftes Meinungsforschungsinstitut, eine Umfragenstudie lief in Altenstadt, als ich dort die mir vorgegebenen Personen besuchte Interview, begrüßten mich einige mit den Worten „Sie kenne ich doch vom Zug („Stockemer Liesi“) fahren.

Anmerkung von Barbara Broscheit:
Auf dem offenen Perron mußten wir Kinder von Gronau am Anfang jahrelang mitfahren, weil es morgens drinnen keinen Platz mehr gab und das Perron war auch schon so voll, dass gerade mal je ein Fahrschüler raufpasste – die Großen nahmen uns Kleinen im Winter in die Mitte, damit wir uns im eisigen Wind nicht die Glieder abfroren.