von Hansfried Münchberg

Auf diesem blauen Planeten gibt es viele schöne Flecken, schöne Landschaften, viele schöne Länder, viele schöne Städte, viele schöne Dörfer, aber es gibt nur ganz wenige magische Orte.

Magische Orte strahlen etwas Besonderes aus, vermitteln ein erhabenes Gefühl.

Einige dieser Orte sind besonders steile Berge, wie das Matterhorn, die Zugspitze in den Garmischer Alpen, andere sind Flußquellen nach denen die Orte benannt sind, wie zum Beispiel die Donau, sie entspringt in Donaueschingen, oder aber die Quelle der Lippe in „Bad Lippspringe“, die Quelle der „Pader“ in Paderborn.

Die Nidda entspringt am Taufstein im Vogelsberg , sie ist auch in Stein gefasst, wie sich das für den Ursprung eines ordentlichen Flusses gehört, mit einem Schild „Niddaquelle“ versehen, aber keine Stadt heißt „Niddabrunn“ oder so ähnlich. Auch von der Nidder ist mir keine nach der Quelle benannte Stadt bekannt. Zwar ist auch ihre Quelle an der Herchenhainer Höhe im Vogelsberg mit einem ordentlichen Hinweisschild versehen, aber kein Ortsname weist auf den Quell hin.

Foto eines Mannes im Wald an der Quelle
Niddaquelle im Vogelberg,
selbst erwandert

Neben Berggipfeln und Flußquellen sind auch die Mündungen von Flüssen magische Orte, wer kennt nicht Alexandria, wo sich seit tausenden von Jahren der Nil ins Mittelmeer ergießt, oder Hamburg, wo sich die Elbe in Richtung Nordsee verabschiedet.

Aber auch Stellen, an denen ein Fluß in einen anderen mündet, haben eine magische Ausstrahlung. So zum Beispiel am Zusammenfluß von Werra und Fulda, „die sich küssen und ihren Namen büßen müssen“, sie werden in Hannoverschmünden zur Weser; das „Deutsche Eck“, der Zusammenfluß von Mosel und Rhein, man bekommt dort eine Gänsehaut, oder aber der Main der in den Rhein mündet und dabei der Stadt Mainz einen beträchtlichen Teil seines Namens abgibt; die Ruhr verliert sich in „Ruhrort“ in den Rhein.

Der magische Ort, von dem ich berichten will, ist der Zusammenfluß von Nidda und Nidder, in der „Grünen Aue“ wie wir im Heimatkundeunterricht lernten. Dieses Zusammentreffen zweier Bäche brachte in der Vergangenheit oft eine fatale Folge von Überschwemmungen, die im Herbst und Winter eine Seenlandschaft von Gronau über Niederdorfelden, nach Oberdorfelden bis Kilianstädten und Windecken entstehen ließen. In manchen Wintern konnte man über eine geschlossene Eisdecke etliche Kilometer auf Schlittschuhen zurücklegen.

Altes Foto mit Junde vor der Niddamündung
Der Zusammenfluß von Nidda und Nidder,
im Hintergrund der Gronauer Hof, vorne Thomas Hoch

So fatal die Überschwemmungen waren, sie brachten auch einen Segen, denn die Nidda- und Nidderauen waren niemals trocken, sie wurden jährlich mit reichlich Schwemmstoffen gedüngt und über den Sommer feucht gehalten. Das dankten unter anderem die Gronauer Störche, die diesem Paradies für Frösche und damit auch für sie bis heute treu geblieben sind.

Das Schwemmland zwischen Euphrat- und Tigris wird schon in der Bibel „Zweistromland“ genannt, was läge also näher, als das Land wo Nidda und Nidder zusammenfließen „Zweibachland“ zu nennen, zumal der gemeine Gronauer ja nicht von „Nidder“ sondern kurz von „die Bach“ spricht.

Da die männlichen Bewohner der Wetterau zwar ungemein liebenswürdige und liebenswerte Menschen, andererseits aber ausgesprochen einsilbig sind, kam „Niddergemünden, aber auch „Zweibachland“ nie wirklich in Frage, „Grunawe“ wie die Urvorfahren es nannten, „Grüne Aue“ war auch zu lang. So kam im Laufe der Jahre „Gronau“ heraus, was für den normalen Mitteleuropäer zwar zweisilbig scheint, von einem eingesessenen Gronauer aber als einsilbiges, geknurrtes „Grone“ artikuliert wird.


Nidda und Nidder fließen im Gronauer Wappen zusammen

Daß dieses „Gronau“ ein magischer Ort ist, wird jeder bestätigen, der dort einmal gelebt hat.

Der Blick zum Taunus, zum Feldberg, der Geruch nach warmer fruchtbarer Erde, der Anblick von Streuobstwiesen, die Weiden und Äcker, die zwei Bäche, eine fliegende Elster, ein Donnergrollen, der Duft eines blühenden Lindenbaumes, der Geschmack von Mirabellen und Reineclauden oder „Reneklode“, der einmalige Genuss eines Presskopp vom Metzgermeister Meisinger, ein Stück Gelbwurst über die Theke gereicht, das Rauschen im „Wasserhäusi“, die Brennesseln der „Hohl“, all das ist es, was die Magie dieses Ortes ausmacht.

„Gronau“ eben!