von Hansfried Münchberg

„Säubube, macht Euch fort, erunner vom Hof…!“

Jetzt, wo es gerade richtig interessant geworden war, kam der Bauer, wild mit einem knorrigen Knüppel fuchtelnd auf uns zu. „Weg da, seht zu, daß ihr hier fort kommt!“

Wir waren bis zum Hoftor zurückgewichen, hatten uns leicht seitlich hinter dem roten Sandstein der Torsäule verborgen, um uns, gleich darauf, erst einmal vorsichtig um die Ecke lugend, mit kleinen, unmerklichen Schritten wieder in Richtung des spannenden Geschehens vorzuarbeiten. Normalerweise waren wir immer Zaungäste bei Robert Wenzel, unserem Jugendfreund, wenn bei seinem Vater gedroschen wurde.

Natürlich ließen wir uns so leicht nicht verscheuchen, zu groß war unsere Neugier, oder sagen wir besser, unser „technisches Interesse“ an dem fauchenden Ungetüm.

Witschtschatatawitschtschatata…mit diesem eigentümlichen Geräusch zwischen Schmatzen, Zischen und Klatschen machte der lange, lederne Transmissionsriemen eine tanzende, auf- und abschwingende Bewegung, eine ganz eigene Choreo-graphie. Langsam setzte er das große Antriebsrad in Bewegung, das seitlich aus dem schweinchenrosa-fleischfarbenen Ungetüm mit hölzernem Aufbau herausragte.

Die Dreschmaschine war im Dorf!

In den 50er Jahren, hatte noch kein Bauer einen eigenen Mähdrescher. Das Getreide wurde damals mit dem Mähbinder geerntet. Ein Gerät, das oft noch von zwei oder drei Ackergäulen, später dann von einem Traktor, gezogen wurde.Mit dem Mähbalken wurde das Getreide geschnitten, ein drehendes Lattenkreuz richtete und schichtete die Halme, ein Laufband bündelte, eine komplizierte Vorrichtung wand eine Hanf- oder Papierkordel um die Garbe und verknotete diese. Dann fiel die Garbe nach hinten vom Gerät, wo sie von mitlaufenden Helfern aufgehoben wurde. Man stellte drei Garben zusammen und bis zu 20 Garben darum herum.

Altes Foto eines Mähbinders
In den 50er Jahren noch häufig im Einsatz, der Mähbinder

Nach einiger Trockenzeit auf dem Felde, spannte der Bauer die Pferde in den Leiterwagen ein, auf diesen wurden die Garben aufgeschichtet, zu teilweise meterhohen Gebilden, gerade so hoch, wie man die Bündel mit einer Heugabel hinauf reichen konnte. Es kam gelegentlich vor, daß die Wagen so hoch geladen waren, daß sie auf der Heimfahrt, auf den damals sehr unebenen, teilweise schlammigen Feldwegen bedrohlich ins Schwanken gerieten. Gelegentlich stürzte dann auch schon mal so ein Leiterwagen mit seiner Fracht um.

Zu Hause im Hof angekommen, wurden die Wagen dann rückwärts in die Scheuer geschoben und abgeladen, dabei wurde das geerntete Getreide oft bis unters Scheunendach gestapelt. Dort blieb es dann liegen, bis die Dreschmaschine ins Dorf kam.

Verbreitet zogen nach der Getreideernte im Herbst und bis in den Winter hinein Lohnunternehmer mit Lokomobilen oder Zugmaschinen und Dreschmaschinen von Dorf zu Dorf, um bei den Landwirten das Getreide zu dreschen.

Zeichnung einer Dreschmaschiene
Dreschmaschine von „Lokomobil“ angetrieben

Diese Maschinen, wie auch die Antriebe, wurden damals häufig von der Firma „Lanz„ in Mannheim hergestellt.

Zum Betrieb der Dreschmaschine waren nicht nur alle verfügbaren Hände auf dem Hof nötig, dazu gehörte noch eine spezialisierte Mannschaft, die mit der Maschine reiste. Die Getreide – Garben wurden von Hand auf den hölzernen Aufbau gegabelt, wo der „Einleger“ für das gleichmäßige Zuführen der aufgeschlitzten Garben sorgte. Diese gefährliche Arbeit durfte nur von bestimmten Personen ausgeführt werden.

Auch der Maschinist, der für die Technik der Maschinen verantwortlich war, wurde von den Maschinen – Betreibern gestellt. Das übrige Personal mußte von den jeweiligen Dreschkunden gestellt werden.

Das Getreide mußte gut getrocknet sein, damit ein guter Ausdrusch gewährleistet war. Zuerst wurde die Wintergerste gedroschen, dann der Roggen und der Winterweizen (Herbstsaat). Danach war die Sommergerste und der Sommerweizen (Frühjahrssaat) an der Reihe und zum Schluß wurde der Hafer gedroschen.

Das Stroh wurde im Binder, einer direkt der Dreschmaschine angeschlossenen Maschine, zusammengebunden.

Der große, hölzerne Kasten auf Rädern wurde vor die Scheuer geschoben, sodann, im Abstand von einigen Metern, der Antrieb der Dreschmaschine aufgestellt. Dieser war in ganz frühen Jahren ein „Lokomobil“, eine Dampfmaschine auf Rädern, die selbst fahren konnte und auch als Zugmaschine diente. Später wurden Traktoren, etwa der Lanz-Bulldog oder der „Fordson„ die beide seitlich Antriebsscheiben hatten, eingesetzt.

Über diese Antriebsscheiben wurden die oftmals 5 Meter langen Transmissionsriemen gelegt, die dann mit dem Antriebsrad der Dreschmaschine verbunden wurden. Dabei waren die Lederriemen nicht ganz gespannt, sondern hingen in sanftem Bogen durch, was diese eigenartige tanzende Bewegung sowie das typische Geräusch verursachte.

Der eigentliche Dreschvorgang war, ganz zu unserem Leidwesen, eigentlich unsichtbar.

In der Maschine befand sich ein Dreschwerk und eine ganze Anzahl von Rutschen, Schütten und Sieben, die von zahlreichen Hebeln, Rädern und Kurbeln auf- und abbewegt wurden. Die Siebe wurden je nach Getreideart ausgetauscht. Gleichzeitig wurden hier die Getreidekörner von Spreu und Stroh getrennt.
Aber wie gesagt, leider unsichtbar.

Man sah nur, daß oben auf der Maschine ein Mensch stand, der die Garben in die Maschine stopfte. An einem Ende kamen die gebundenen oder gepressten Strohballen heraus, am anderen Ende rieselten die Körner über einen Trichter in die Säcke. Die gefüllten Säcke wurden von einem Helfer zugebunden und auf einen Wagen geladen, auf dem sie später zur Mühle gefahren wurden.

Die Strohballen wurden von den Helfern geschultert und ins Strohlager getragen. Da das Stroh ganz eklig piekste, jeder der einmal über ein Stoppelfeld gelaufen ist, kennt das Gefühl, hatten sich die Träger aus einem Jutesack, durch Einklappen eines Sack – Zipfels in den Gegenüberliegenden, eine Art Kapuze mit Nackenschutz gefertigt, sie sahen damit aus wie arbeitsame Zwerge.

Dieses ganze spannende Geschehen sollten wir nur von Ferne ansehen dürfen, zu ärgerlich! Allerdings waren wir in der Zwischenzeit unmerklich, wie wir meinten, herangekommen, einfach aus technischem Interesse.

Wischtschatata…, der Transmissionsriemen tanzte vor unseren Augen.

„Säubube, macht euch fort!“

Ganz ehrlich, aus heutiger Sicht hatte der Bauer recht. Es soll oftmals vorgekommen sein, daß Menschen durch umherfliegende Transmissionsriemen verletzt worden waren. Wenn diese von ihren Antriebsrädern heruntersprangen, war das wie Peitschenhiebe mit einer ganz langen, unkontrollierbaren Peitsche.
Besser war`s, wenn man fernblieb !

Wenn nur das Interesse nicht so groß gewesen wäre!