Was lang geplant wird endlich gut !

 

Von Gronau in die weite Welt, oder wenigstens nach Vilbel, Dorfelden, Frankfurt oder in den Vogelsberg

Zusammengetragen von Hansfried Münchberg

 

Heutzutage wird häufig über endlos lange Planungen, Genehmigungsverfahren die sich über Jahre hinziehen, schleppende Baufortschritte, geklagt. Dem geneigten Leser zum Trost sei erwähnt, daß dieses in früheren Zeiten, gemeint sind die Jahre zwischen 1870 und 1910, nicht besser gewesen zu sein scheint.

Unser Gronau, sowie die von hier aus gesehen Richtung  Vogelberg nach Nord-Osten liegenden Ortschaften, war zu dieser Zeit von der zunehmenden Entwicklung der Verkehrsgeschehens weitestgehend abgehängt, wogegen bereits 1844 mit Planungen begonnen war, Vilbel in die Bahnstrecke Kassel – Friedberg – Frankfurt einzubeziehen. Bereits 1850 war Vilbel mit dem Bau einer Bahnstation (des heutigen Südbahnhof) in das überregionale  Streckennetz einbezogen und angeschlossen.

„Die Biene“ 6.10.1849

Ende der 1860er Jahre waren Überlegungen aufgekommen, auch von interessierter Seite eingebracht worden, eine Bahnlinie Frankfurt – Stockheim zu planen und zu bauen.

Ein großes Hindernis jener Zeit war, daß die Vogelsbergbahn auf dem Gebiet zweier verschiedener Staaten, einerseits das Königreich Preußen, von Frankfurt bis Höchst an der Nidder, von dort bis Stockheim andererseits, auf dem Gebiet des Großherzogtums Hessen gebaut werden sollte. So waren zwei Staatsoberhäupter bzw. Parlamente zuständig, noch dazu wollten natürlich verschiedene Landkreise, Städte und Gemeinden mitreden. 

Das „Liesi“ bei Gronau 1976, Foto Ernst Bäppler (copyright)

Mehrere Linienvarianten erwogen

Ein Protokoll der Verhandlungen der zweiten Kammer des Großherzogtums Hessen 1890 berichtet: ….sind mehrere Varianten für Secundärbahnen von Stockheim in der Richtung nach Frankfurt so über Altenstadt Heldenbergen nach Vilbel oder über Bergen und Seckbach nach Frankfurt…(vorgeschlagen)

Das Project zu dem auf Hessisches Gebiet, von der Landesgrenze bei Büdesheim bis Bahnhof Stockheim, entfallenden Theil der Linie ist bis auf den Kostenvoranschlag und die Rentabilitätsberechnung vollendet. Letztere Stücke sowie das Project der ganzen Linie konnten nicht ausgearbeitet werden weil Seitens des Königlich Preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten die nachgesuchte Erlaubniß zur Vornahme von Vermessungen und Nivellements auf Preußischem Gebiet versagt wurde. Der Ausschuß kann diese Thatsache nur beklagen, denn die Durchführung dieser Bahnlinie liegt im Interesse eines großen Theils der Provinz Oberhessen und würde auch der Stadt Frankfurt von Nutzen sein.

Die Frankfurter hätten wohl die direkte Verbindung, ohne den Umweg über Vilbel bevorzugt, wie aus nachfolgender Notiz hervorgeht.

Jahresbericht der Handelskammer zu Frankfurt am Main 1894

Direkte Eisenbahnverbindung Frankfurt a M Stockheim i. H.

An den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten hat die Handelskammer unterm 15 Oktober 1894 die folgende Eingabe gerichtet:

Seit einem Jahrzehnt hat die Handelskammer mit Unterstützung namentlich der städtischen Behörden und mehrerer wirtschaftlichen Korporationen eine direkte Eisenbahnverbindung von Frankfurt a. M. durch die Mitte der Provinz Oberhessen und nach dem Vogelsberg angestrebt. Von Jahr zu Jahr ist das Bedürfnis dringender hervorgetreten für eine direkte Vollbahn von Frankfurt a. M. über die preußischen Orte Seckbach – Bergen –  Dorfelden – Ober- und Nieder- ,Windecken nach Stockheim. Allgemein wird die Überzeugung geteilt dass diese Bahn sowohl den wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnissen von Oberhessen und Frankfurt als auch in ihrer weiteren Fortsetzung über Hersfeld oder Hünfeld zum Anschluss an die

Linie Frankfurt – Berlin den allgemeinen Verkehrs-, wie auch den strategischen und fiskalischen Interessen des preußischen Staates dienen würde. Die Provinz Oberhessen bildet schon seit Jahrhunderten das natürlichste und wichtigste Hinterland der hiesigen Stadt. Der bedeutende Ackerbau dessen Erträgnisse auf ca. M 30 Millionen jährlich geschätzt werden, die hochentwickelte Viehzucht, ausgedehnte Forsten, bedeutende Mineralreichtümer der Provinz, bilden die Grundlage einer Produktion von großem Werte die für ihren Absatz ebenso wie die Bevölkerung für ihren Bedarf an Gebrauchsartikeln fast ausschließlich auf Frankfurt a. M. angewiesen ist. …. Dieser Wunsch ist um so mehr begründet, als die neue Bahnlinie auch den preußischen Ortschaften Windecken, Eichen, Gronau, Bergen, Seckbach, Bornheim die notwendige Verkehrsgelegenheit schaffen wird. Diese Wohngebiete mit nicht sehr ausgedehnter Feldmark werden in ihrer Entwickelung zurückbleiben, wenn nicht durch Bahnlinien einerseits die Absatzverhältnisse der Landwirtschaft verbessert und andererseits industrielle Anlagen hervorgerufen werden. Gerade zum Betriebe einzelner Industriezweige würde sich das Bergener Plateau bis Stockheim bei den vorhandenen günstigen Produktionsbedingungen und den zahlreichen Arbeitskräften ganz besonders eignen.

Das „Liesi“ als Schienenbus (1976)bei Vilbel, Foto Ernst Bäppler (copyright)

Die Präferenz Frankfurts für die Direktverbindung Frankfurt – Stockheim, ohne Weg über Vilbel, zeigt auch die Meldung des Gießener Anzeiger vom 31.10.1894, darin wird berichtet:

Damit unsere Nebenbahnlinie Stockheim – Gedern lebensfähig wird und sich rentiert, ist es nötig, daß sie in Frankfurt einmündet. Seit einiger Zeit fing das Project Stockheim-Frankfurt an zu  verstauen, denn der preußische Staat stand der Sache kühl gegenüber. Da aber die südöstliche Wetterau einen Schienenweg nach Frankfurt unbedingt nötig hat, wurde erwogen, die Bahn in westlicher Richtung durch hessisches Gebiet nach Vilbel, also mit Anschluß an die Main-Weserbahn zu führen. Zwar würde dadurch ein Umweg entstehen, um Frankfurt zu erreichen, es würde aber eine größere Anzahl hessischer Ortschaften der Wohltat einer Bahn teilhaftig werden. Nun ist aber seit ganz kurzer Zeit Leben in das Project Stockheim-Frankfurt gekommen, denn die Frankfurter wollen die Bahn direkt mit Einmündung in ihre Stadt, nicht aber auf Umwegen bei Vilbel haben. Man tut deshalb Schritte von Frankfurt aus in Berlin, daß die Bahn von Stockheim direkt und auch recht bald nach Frankfurt geführt werden solle. Die Verhandlungen, welche seither langsam vorrückten, werden nun im beschleunigten Tempo vorwärts schreiten, denn Frankfurt hilft kräftig schieben. Unsere Hoffnung auf einen Schienenweg nach der Mainstadt haben sich daher wesentlich gebessert.

In einer Protokollnotiz des hessischen Landtags aus dem Jahre 1898 spricht der Abgeordnete Westernacher (Wahlbezirk Oberhessen – Büdingen) von einem „30-jährigen Schmerzenskind“, solange haben wohl die Planungen schon gedauert ohne daß auch nur ein Entschluss gefasst war. Bereits im Jahr 1894 hatte der Frankfurter Abgeordnete vom Rath auf den Bau der Linie Frankfurt-Stockheim gedrängt. Ein weiterer Unterstützer war Emil Junghenn, nationalliberaler Abgeordneter in Preußischen Abgeordnetenhaus. Die Kölnische Zeitung vom 21.1.1895 berichtet:  „Der Abgeordnete Junghenn brachte es fertig, den Minister aus seiner Zurückhaltung aufzustören, aber über die eigentliche Frage, ob die Bahn von Stockheim nach Vilbel oder direkt nach Frankfurt geführt werden solle, wenn sie überhaupt in Angriff genommen werde, lichtete die Antwort das Dunkel dennoch nicht.

Aus einem Protokoll der Verhandlungen der Landstände Hessen 1896 geht hervor:

…die Interpellation des Abgeordneten Westernacher den Bahnbau Stockheim Frankfurt betreffend

welche von Seiner Excellenz dem Herrn Finanzminister Weber wie folgt beantwortet wird:

„…beehre ich mich zu erwidern daß, wie bekannt sein dürfte, am Schlusse des Jahres 1891 mit der Königlich Preußischen Regierung die Anfertigung genereller Vorarbeiten für die fragliche Bahnlinie verabredet worden ist. Diese Vorarbeiten sollten Seitens Preußen von Frankfurt bis Höchst an der Nidder, Seitens Hessen von letzterem Orte bis Stockheim ausgeführt werden. Letztere Arbeiten haben etwa 2 Jahre in Anspruch genommen und waren im Frühjahr 1894 fertig. Die Vorarbeiten für den preußischen Teil haben etwas mehr Zeit erfordert, sie sind im Laufe des vorigen Sommers von der mit ihrer Anfertigung beauftragten Königlichen Eisenbahndirektion Frankfurt dem preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten vorgelegt worden….. Der von dem Herrn Interpellanten gestellte Antrag auf Besprechung dieser Angelegenheit findet genügende Unterstützung und die Genehmigung der Kammer.“ Darauf bemerkt Abg. Westernacher:  „Ich danke zunächst für die Ausführungen des Herrn Finanzministers. Schon vor sechs Jahren wurde uns eine ähnliche Antwort zu Teil und auch damals wurde gesagt wir stehen in Verhandlung mit Preußen. Heute sind wir gerade so weit wie damals und ich denke doch es wäre Pflicht der hessischen Regierung auch den dortigen Landesteilen mehr entgegen zu kommen als dies geschieht.“

 

Die Bahn Stockheim – Vilbel – Frankfurt wird gebaut, aber es dauert noch !

Zur Jahrhundertwende waren die umfangreichen Verhandlungen, Planungen und Vorarbeiten endlich soweit gediehen, daß man an die Beschlussfassung gehen konnte.

 

Der „Gießener Anzeiger“ meldet am  26.1.1900

Der Staatsvertrag, betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Vilbel nach Stockheim in Oberhessen bestimmt u. a.: Die Königlich Preußische und die Großherzoglich Hessische Regierung beabsichtigen, eine Eisenbahn von Vilbel nach Stockheim in Hessen gemeinsam auszuführen. Die Königlich Preußische Regierung wird die Strecke Vilbel – Höchst a. d. Nidder der vorstehend benannten Eisenbahn für eigene Rechnung herstellen, nachdem sie die gesetzliche Ermächtigung hierzu erhalten haben wird. Die Großherzoglich Hessische Regierung gestattet der Königlich Preußischen Regierung den Bau dieser Strecke innerhalb des Hessischen Staatsgebiets. Der Bau der ausschließlich auf Hessischem Staatsgebiete gelegenen Strecke Höchst a. d. Nidder—Stockheim i. Hessen wird für Rechnung der Groß-herzoglich Hessischen Regierung ausgeführt werden, nachdem die hierzu erforderliche landständische Genehmigung erteilt sein wird.

Mit der Bauausführung der gesamten Bahn wird erst begonnen werden, nachdem beiden Regierungen die erforderlichen Mittel bereit gestellt und die anderweiten gesetzlichen Vorbedingungen erfüllt sein werden.

Bezüglich der Ausführung des Baues, der Verwaltung und des Betriebes der Bahn, sowie der Ausübung der Landeshoheit und des Aufsichtsrechts finden die Bestimmungen des Staatsvertrags zwischen Preußen und Hessen über die gemeinschaftliche Verwaltung des beiderseitigen Eisenbahnbesitzes vom 23. Juni 1896 Anwendung.

Die von der Großherzoglich Hessischen Regierung auszuführende Strecke Höchst a. d. Nidder—Stockheim tritt nach Maßgabe der im Artikel 11 Absatz 2 des vorbezeichneten Vertrages vorgesehenen Bestimmungen in die Finanzgemeinschaft ein. Für die bauliche Ausführung und demnächst für den Betrieb dieser Nebenbahn sind die Bestimmungen der Bahnordnung für die Nebeneisenbahnen Deutschlands vom 5. Juli 1892 und die dazu ergangenen und etwa künftig noch ergehenden, ergänzenden und abändernden Bestimmungen maßgebend. —

Die Großherzoglich Hessische Regierung Übernimmt für den Fall der Ausführung der den Gegenstand dieses Vertrags bildenden Bahn bezüglich der in Ihrem Staatsgebiete von Preußen Herzustellenden Teilstrecken die Verpflichtung:

  1. den zum Bau der Bahnanlagen erforderlichen Grund und Boden innerhalb Ihres Landesgebietes der Königlich Preußischen Regierung unentgeltlich zur Verfügung zustellen;
  2. die Mitbenutzung der Chausseen und sonstigen öffentlichen Wegen unentgeltlich und ohne besondere Entschädigung für die Dauer des Bestehens und Betriebes der Bahn zu gestatten. —

 

Die hohen vertragschließenden Regierungen sind darin einig, daß die Herstellung, Unterhaltung und Beleuchtung der Zufuhrwege zu den Stationen, soweit diese Wege außerhalb der Stationen liegen, nicht Sache der Eisenbahnverwaltung ist.

Sollte die Königlich Preußische Regierung sich demnächst zu einer Erweiterung der ursprünglichen Bahnanlagen durch Herstellung von dem öffentlichem Interesse dienenden Anschlußgeleisen, Stationen oder zu ähnlichen Einrichtungen entschließen, und insbesondere auch zur Anlage des zweiten Geleises schreiten, so wird die Großherzoglich Hessische Regierung zwecks Erwerbung des zur Ausführung dieser Anlagen erforderlichen Grund und Bodens, auf welche sich die Verpflichtung im Art. 6 unter Nr. 1 des Vertrages nicht bezieht, für ihr Gebiet daß Enteignungsrecht erteilen.

Hinsichtlich der Kosten des Enteignungsverfahrens und der Stempelfreiheit desselben gilt Artikel 61 des Großherzoglich Hessischen Gesetzes vom 26. Juli 1884, die Enteignung von Grundeigentum betr. —Alle Entschädigungs- und sonstigen privatrechtlichen Ansprüche, welche aus Anlass des Baues auf Hessischem Staatsgebiete erhoben werden, hat die Königlich Preußische Regierung zu vertreten. — Die Kosten der Beschaffung der für die neue Bahn erforderlichen Betriebsmittel sollen von den Hohen vertragschließenden Regierungen nach Verhältnis der Längen der beiderseitig zu bauenden Teilstrecken getragen werden. —

Die Königlich Preußische Regierung wird Gegenstände von natur- oder kunsthistorischem Werte, welche von Ihr bei Ausführung der Arbeiten im Großherzogtum Hessen gefunden werden, wie Versteinerungen, seltene Mineralien, Altertümer, Münzen, Gebeine und dergleichen an die Großherzoglich Hessische Regierung abliefern.

 

Nach langen Jahren des Forderns ist nun auch der Abgeordnete Junghenn, der sich lange engagiert hatte,  zuversichtlich, so berichtet die „Rheinische Volksstimme“ am 22.2.1900

Junghenn (nl.): Die Vorlage bringt auch die Bahn von Vilbel über Höchst an der Nidder nach Stockheim in Hessen. Solange ich diesem Hause angehöre, habe ich mich um diese Bahnlinie ursprünglich in einer ausgedehnteren Richtung bemüht. Sieben Jahre habe ich um sie geworben, ausdauernd wie Jakob um Rachel. (Heiterkeit.) (Anmerkung: nach der Bibel musste Jakob sieben Jahre arbeiten um mit Rachel zusammenzukommen) Nun hat sie in der so sehnlichst erwarteten Vorlage Aufnahme gefunden. Alle Wünsche erfüllt sie nicht, sie wird indes eine Reihe von preußischen Orten berühren. Sie wird den beteiligten Gemeinden in industrieller, vornehmlich aber in landwirtschaftlicher Beziehung zum Segen gereichen, dem Kreis Hanau und der Allgemeinheit Vorteil bringen.

Der Bahnhof Gronau Hessen-Nassau, Reisegruppe vor der Schalterhalle / dem Wartesaal, rechts davon der Dienstraum, ganz  rechts das Gebäude der Gepäckabfertigung, im Vordergrund ist das Gütergleis  zu erahnen, Foto mit freundlicher Genehmigung Stadtarchiv Bad Vilbel

Das Foto zeigt die Verwandtschaft von Erika Vogel, geb. Gutmann, früher Gronau, jetzt Kilianstädten, v.l.n.r- Lina Jung (Bad Nauheim), Lina Gutmann, Mutter von Erika Vogel, Albert Gutmann, Vater von Erika Vogel, Lisbeth Still, Tante von Erika, lachend im Hintergrund, Otto-Karl Arnold, Opa von Erika Vogel, Friedrich Still (Bergen-Enkheim), Emmy Arnold, Emma Arnold, Oma von Erika Vogel, Heinrich Jung, Im Hintergrund rechts; Bahnhofsvorsteher

 

Durfte auf keinem Bahnhof fehlen, in Gronau etwas abseits des Bahnhofsgebäudes gelegen

Gronau muss sich finanziell beteiligen.

Um einen eigenen Bahnhof zu erhalten, musste die Gemeinde Gronau um die Jahrhundertwende einen Betrag von 8000 Mark aufbringen, Fünf Jahre später waren für den Ankauf von Grundstücken für die neue Eisenbahn  noch einmal 10 000 Mark von der Gemeinde zu stemmen.

Der Gronauer Bahnhof in den frühen 60er Jahren

Mit dem grundsätzlichen Beschluss zum Bau der Bahnstrecke waren aber noch längst nicht alle Klarheiten über die Anbindung an Frankfurt erreicht.

So berichtet die „Eisenbahn Zeitung“

Vilbel, 17. April 1900

Die Bahn von Vilbel nach Frankfurt-Ostbahnhof wird bekanntlich auch von Frankfurter Seite, besonders von den Bewohnern des Ostends, lebhaft gewünscht, da eine direkte Linie Stockheim—Frankfurt nicht mehr in Aussicht steht, vielmehr der Verkehr von Stockheim über Vilbel nach Frankfurt geführt werden soll, wobei dem Vernehmen nach ein Umsteigen in Vilbel nicht erforderlich sein wird. Beim völligen Ausbau aller in unserer Provinz geplanten und von den Ständen bereits bewilligten Nebenbahnen wird dann ein bedeutender Teil des östlichen Oberhessens (Lauterbach, Herbstein, Gedern, Ortenberg, Altenstadt u. a. m.) fast gradlinig mit Frankfurt verbunden sein. Von Vilbel selbst würde nur etwa die Hälfte der Bahnfahrt, d. h. 10—15 Minuten, zur Erreichung Frankfurts nötig sein; Bergen und Seckbach würden Stationen erhalten. Daß dadurch der Verkehr Frankfurts (und besonders seines Ostteiles) sehr zunehmen wird, dürfte zweifellos sein. Der Frankfurter Landtagsabgeordnete Sänger hat nun in einer dortigen Versammlung seine Ansicht dahin ausgesprochen, daß in der nächsten Session des preußischen Landtags u. a. vielleicht auch die Bewilligung der Mittel für die Bahn Vilbel-Ostbahnhof zur Beratung kommen werde. Voraussetzung dürfte unseres Erachtens das Zustandekommen der Bahn Stockheim-Vilbel sein. Diese begegnet zwar, wie der Präsident des Großh. Finanzministeriums neulich in der Zweiten Kammer mitteilte, in Hessen keinerlei Schwierigkeiten mehr. Dagegen haben die preußischen Gemeinden statt 178 000 Mk. erst 148 000 Mk. zur Geländestellung bewilligt, die restlichen 30000 Mk. zuzuschießen wurde vom Kreistag des Landkreises Hanau abgelehnt. Dennoch hofft man, daß diese verhältnismäßig geringe Summe noch aufgebracht werden wird und die von vielen Orten Oberhessens, die noch ohne jede Bahnverbindung sind, lebhaft ersehnte Bahn endlich gebaut werden kann.

 

Der „Gießener Anzeiger“ schreibt am  7.9.1901

 Neue Anträge. Es wird ein Antrag bezüglich des Bahnhofes Vilbel (des heutigen Vilbel Süd-Bahnhofes) verlesen. Es wird eine Vergrößerung des Bahnhofs gewünscht, die ohne dessen Verlegung möglich sei. Der Antrag enthält 24 Unterschriften von Einwohnern aus Vilbel. Wetzel -Erlenbach spricht sich in Gemäßheit seines früheren Antrages für die Verlegung des Bahnhofes mit Rücksicht auf die Lagerplatzverhältnisse aus, Er erklärt, dass diejenigen die diesen Antrag unterzeichnet hätten speziell interessiert seien, da sie in der Nähe des Bahnhofes zu bleiben wünschten. Martini-Vilbel erklärt, die Zahl der Interessenten sei weit größer als die der Unterzeichner. Der Vorsitzender hält die Sache noch nicht für spruchreif. Es müssten noch eingehendere Informationen eingezogen werden. Er schlägt vor, bei der Bahndirektion anzufragen, ob schon ein Projekt angefertigt sei. Man einigt sich dahin das Projekt abzuwarten und dann der Sache näherzutreten.

 

Aber jetzt geht es los !

Der „Gießener Anzeiger“ berichtet am 17.3.1903

 

Aus der südlichen Wetterau, 16. März. Der Ausbau der Bahnstrecke Stockheim —Vilbel, von dem man vielfach angenommen hatte, daß er der herrschenden Arbeitslosigkeit wegen, schon in diesem Frühjahre begonnen werde, soll nun, wie man hört, doch wenigstes bestimmt im Herbste in Angriff genommen und der Geländeerwerb in diesem Sommer geregelt werden. Hoffentlich werden diese Erwartungen nicht noch einmal getäuscht. Schon seit über zwanzig Jahren ist dieser Bahnbau Gegenstand der Erörterung. Daß die Bahn von der größten Bedeutung sein würde, bedarf wohl nicht eines immer wieder erneuten Nachweises. Der ganze Verkehr der hiesigen Gegend gravitiert nach Frankfurt, und besonders würde den zahlreichen Arbeitern eine große Erleichterung geschaffen, die aus den in der Nähe der projektierten Bahn gelegenen Orten, wie Hainchen, Oberau, Rommelhausen, Höchst a.d. Nidder – als Maurer, Weißbinder und Handlanger in Frankfurt ihren Verdienst suchen müssen, und die jetzt zum teil zwei Stunden bis zur nächsten Station zu gehen haben, was namentlich auf dem Heimweg von der Arbeit als sehr beschwerlich empfunden wird. Außerdem aber würde der Vogelsberg, namentlich nach dem Ausbau der Strecke Grebenhain—Gedern durch diese Bahn erst dem Verkehr völlig erschlossen. Die Bahn wird durch ihre Rentabilität gewiß am besten ihre Notwendigkeit erweisen.

 

einen Tag später heißt es im „Gießener Anzeiger“ vom 18.3.1903

Mit dem Bau der Bahnstrecke Vilbel-Stockheim über Höchst a. d. Nidder wird nun Ernst gemacht. In den Waldungen, welche die neue Bahn durchquert, ist man gegenwärtig mit dem Fällen der Bäume beschäftigt.

 

Fast ein Jahr später meldet der „Gießener Anzeiger“ am 11.2.1904

Vilbel, 10. Febr. Nachdem der Bau der Teilstrecke Stockheim —Höchst a. d. Nidder seit Herbst im Bau ist, wird noch in diesem Monat die Teilstrecke Höchst—Vilbel vergeben und im Frühjahr in Angriff genommen.  Da auf der ersten Strecke die Arbeiten schon weit gediehen und auf der letzten keine großen Geländeschwierigkeiten zu überwinden sind, wird die Gesamtstrecke Vilbel-Stockheim schon 1905 eröffnet werden können. Die Strecke führt von hier über Gronau, Nieder- und Ober-Dorfelden, Kilianstetten, Büdesheim, Heldenbergen – Windecken, Eichen, Altenstadt, Lindheim, Glauberg nach Stockheim. Die Bahn folgt dem Niddertal und ist ca. 23 Kilometer lang.

Gronauer Bahnhof,, Eingang zur Schalterhalle, vermutlich 1950er Jahre

In der „Kölnische Zeitung“ vom 25.7.1904 wird annonciert

Neubaustrecke Vilbel – Höchst an der Nidder.

Die Lieferung von gusseisernen Röhren zur Herstellung von Durchlässen rund 230 laufende Meter für die Lose 1 und 2 der Neubaustrecke soll vergeben werden. Angebote sind unter Benutzung des vorgeschriebenen Formulars post- und bestellgeldfrei und mit der Aufschrift „Angebot auf Lieferung von gusseisernen Röhren für die Neubaustrecke Vilbel -Höchst an der Nidder“ versehen bis zum Mittwoch 10- August 1904, vormittags 10 1/2 Uhr an das technische Büro der Königlichen Eisenbahndirektion Frankfurt am Main Hedderichstraße 67 /69, einzusenden, wo zu genannter Stunde die Eröffnung der Angebote erfolgt. Zuschlagsfrist 3 Wochen. Angebote können soweit der Vorrat reicht, gegen post- und bestellgeldfreie Einsendung von 50 Pfennig nicht im Briefmarken von unserer Kanzlei bezogen werden. Frankfurt am Main 13. Juli 1904, Königliche Eisenbahndirektion.

Tunnel bei Büdesheim 1976, Foto Ernst Bäppler (copyright)

Teilweise schwieriges Gelände

Die Bahntrasse über Vilbel, das durch das Niddertal nach Höchst a.d. Nidder hatte einige schwierige Bauabschnitte zu überwinden. Neben einigen Brücken über die sich in Windungen hinziehende Nidder musste auch der Höhenzug bei Büdesheim mit einem Tunnel durch den harten Basalt durchstochen werden.

Gastarbeiter gab es schon damals

Eine Meldung des „General Anzeiger“ vom  14.10.1904

Frankfurt, 11. Okt. Der Bau der Eisenbahnstrecke Heldenbergen – Vilbel hat begonnen. Hunderte von Arbeitern sind gegenwärtig dabei beschäftigt. In Büdesheim wohnen etwa 400 Italiener und Kroaten, die an dem Tunnel arbeiten, welcher nahe bei dem Dorf hergestellt wird. Auf der Strecke Stockheim – Höchst wird schon der Oberbau hergestellt. Man glaubt, daß die Gesamtstrecke Stockheim-Vilbel schon Ende 1905 dem Verkehr übergeben werden könne.

 

Im darauf folgenden Jahr schreibt der „Gießener Anzeiger“ am 25.7.1905

Aus der südöstlichen Wetterau, 23. Juli.

Die Arbeiten an der neuen Bahnstrecke Stockheim-Heldenbergen-Vilbel sind jetzt so weit gediehen, daß die  Betriebseröffnung der Teilstrecke Stockheim-Heldenbergen bereits am 1. Oktober erfolgen soll.

Das Legen der Gleise und die Herstellung des Oberbaues ist fast beendet, an den Bahnhöfen und den Stationsgebäuden ist dagegen noch viel zu tun, diese sind im inneren Ausbau begriffen. Die Bahnstrecke wird die zahlreichen großen, Landwirtschaft treibenden Orte des Niddertals dem Verkehr erschließen. Sie führt von Stockheim über Glauberg, Heegheim, Enzheim, Lindheim, Altenstadt, Oberau, Höchst, Eichen, Heldenbergen, Büdesheim. Ober- und Nieder-Dorfelden und Gronau, um bei Vilbel in die Main-Weserbahn zu münden. Die Teilstrecke Vilbel-Heldenbergen wird erst im nächsten Jahre fertiggestellt, da hier bedeutende Terrainschwierigkeiten infolge der vielen Windungen der Nidder zu überwinden sind. Bei Büdesheim arbeitet man noch an der Fertigstellung eines Tunnels. Mehrere Brücken und hohe Dämme werden über bzw. an der Nidder errichtet.

Fehlte einst in keinem der Waggons, Foto Münchberg

Teilstrecke eingeweiht

Es geht voran, wenigstens ein Teil der Strecke ist fertig und wird eingeweiht wie die „Kölnische Zeitung“ am 1.10.1905 meldet.

Hanau, 30. Sept. Die Teilstrecke Heldenbergen – Stockheim der Nebenbahn Vilbel – Stockheim ist heute Mittag feierlich eingeweiht worden. Der Ausbau der Strecke wurde im Frühjahr 1900 vom preußischen Landtag beschlossen. Die Linie Höchst a. d. Nidder – Stockheim wird auf Rechnung des hessischen Staates, die Linie Höchst =Vilbel auf Rechnung des preußischen Staates erbaut. Bei Vilbel wird die Bahn in die Frankfurt = Gießen = Kasseler Bahnstrecke einmünden. Während die Teilstrecke Heldenbergen = Stockheim, die zum größeren Teil hessisches Gebiet und bei Heldenbergen die Hanau = Friedberger Bahn berührt, am 1. Oktober den Betrieb eröffnet, wird die die Fortsetzung bildende Teilstrecke Heldenbergen = Vilbel erst zum Frühjahr 1906 fertig gestellt sein.

Doch mit dem Frühjahr wurde es nichts, die Bauarbeiten ziehen sich hin, Konkurse und schwierige Geländeverhältnisse werden für die Verzögerungen verantwortlich gemacht.

Das „Liesi“ auf der Strecke Nidderau – Windecken 1975, Foto Ernst Bäppler (copyright)

 

Fast auf den Tag genau ein Jahr später berichtet der „Gießener Anzeiger“ am 3.10.1906 

Aus der Wetterau, 1. Oktober. Die Bahnstrecke Heldenbergen – Windecken – Vilbel, das letzte Glied der Niddertal -Vogelsbergbahn, wurde vor etwa zweieinhalb Jahren begonnen und sollte nach dem ursprünglichen Plan am heutigen Tage eröffnet werden.

Doch ungünstige Umstände haben die Vollendung der Bahn hinausgeschoben, so besonders das Konkursverfahren gegen die beiden ersten Unternehmer und nicht zuletzt die Schwierigkeit bei Einführung der Bahn in den Bahnhof Vilbel. Diese scheinen immer noch nicht behoben zu sein. Die Eröffnung der Bahn ist frühestens am 1. Januar zu erwarten. Von Heldenbergen über Windecken und Büdesheim ist die Strecke fast beendet, es liegen schon die Schienen, von Kilianstätten bis Gronau ist der Oberbau beendet, während von Gronau bis Vilbel die Arbeiten noch weit zurück sind, die Bahnhofsgebäude zu Büdesheim, Windecken und Kilianstätten sind im Inneren Ausbau begriffen, die zu Dorfelden und Gronau sind noch nicht im Rohbau fertig. Obwohl die Bahn nur 15 Kilometer lang ist, traten ihr zahlreiche Schwierigkeiten durch die Schlangenwindungen der Nidder und die Vorhöhen des Vogelsbergs entgegen. So musste östlich von Büdesheim ein langer Tunnel durch einen Basaltrücken gesprengt werden, bei Windecken waren 4 Brücken und zwischen Windecken und dem Tunnel 2 weitere Brücken über das Niddertal erforderlich. Tunnel und Brücken sind jetzt fertig Punkt Die Bahn erhält Stationen zur Vilbel, Pfaffenhof ( heute Dottenfelder Hof), Gronau, Niederdorfelden, Kilianstädten, Büdesheim, Windecken und Heldenbergen. Die baldige Eröffnung der Bahn wird von der Bevölkerung sehnlichst erwartet. Die Strecke ist das letzte Glied in der Verbindung sparen zwischen Vogelsberg und Frankfurt.

Doch es sollte noch länger als ein halbes Jahr dauern, bis endlich auch das letzte Teilstück eingeweiht werden konnte. Hier einige Zeitungs-Berichte von diesem Ereignis.

„Gießener Anzeiger“  am  16.5.1907

Die Nebenbahnstrecke Vilbel-Heldenbergen – Windecken, die 16 Kilometer lang ist, wird am 22. Mai landespolizeilich abgenommen. Zu diesem Zweck wird die Strecke an dem genannten Tag von einem Sonderzug befahren werden, der den Bahnhof Heldenbergen-Windecken um 10 Uhr vormittags verlässt und in Vilbel um 17 Uhr 23 Min. abends eintreffen wird. Außer an den Stationen wird der Zug an allen Punkten halten, wo Reklamationen vorzubringen sind.

Bahnhof Gronau H.N.  vorne rechts  Lokomotive zu erkennen, oberhalb des Bahnhofs die Wirtschaft Kroeger

Kölnische Zeitung vom 1. Juni 1907

Eisenbahnstrecke Vilbel – Heldenbergen eröffnet

 Hanau den 1.Juni, heute ist die Nebenbahnstrecke Vilbel -Heldenbergen die in die Main Weser Bahn einmündet eröffnet worden.

Gronauer Bahnhofsgaststätte ( Foto Stadtarchiv Bad Vilbel )

Gießener Anzeiger 3.6.1907

Aus der Wetterau, 2. Juni. Gestern vollzog sich die Inbetriebsetzung der Bahnstrecke Vilbel —

Heldenbergen —Windecken. Die Erbauung dieser Strecke hat einen seit Jahrzehnten gehegten Wunsch der Bevölkerung von Wetterau und Vogelsberg zur endlichen Erfüllung gebracht. Die Bahn ist das letzte Bindeglied des schon in den 70er Jahren zwischen Vogelsberg, Wetterau und Frankfurt entlang dem Niddertal geplanten Schienengeleises, das jetzt von Lauterbach über Herbstein, Grebenhain, Gedern, Stockheim, Heldenbergen-Windecken, Büdesheim, Vilbel nach Frankfurt führt. Seit 35 Jahren beschäftigt man , sich mit dem Projekt Vilbel—Stockheim und vor fast zwei Jahren konnte der Teil Stockheim—Heldenbergen eröffnet werden, während der letzte Teil Vilbel—Heldenbergen unter mancherlei Schwierigkeiten zu leiden hatte, so daß fast 3 l/2 Jahre an der nur 16,5 Kilometer langen Strecke gearbeitet werden mußte. Die Geländeschwierigkeiten waren durch die Höhenzüge des Vogelsbergs und die Windungen der Nidder nicht gering, mussten doch bei Windecken vier größere Brücken erbaut und bei Büdesheim ein Tunnel gegraben werden. Stationen erhalten Heldenbergen, Windecken, Büdesheim, Kilianstädten, Dorfelden, Gronau und Vilbel. Bemerkenswert ist, daß bei dem Bahnbau drei Baufirmen in Konkurs gerieten. Viel bemängelt wird von der Bevölkerung der Fahrplan, der nur je vier Züge vorsieht und schlechten Anschluß an die Strecke Hanau—Friedberg—Heldenbergen—Gedern und Main—Weserbahn vorsieht. Die Gemeinden wollen Beschwerde führen, um einen besseren Fahrplan und je fünf Züge täglich zu erwirken. Die Bahn ist für die zahlreiche Arbeiterbevölkerung und für die Landwirtschaft von gleich hoher Bedeutung.

Mit freundlicher Genehmigung Stadtarchiv Bad Vilbel

Zeitung des Eisenbahnvereins 1907

Gießener Anzeiger 8.8.1907

Gießen, 8. Aug. 1907. Wie wenig entgegenkommend die Eisenbahndirektion Frankfurt a. den ausgesprochenen Wünschen gegenüber sich verhält, geht aus der Antwort hervor, die diese Direktion der Handelskammer Friedberg um Einführung des durchgehenden Betriebes auf der Strecke Stockheim – Vilbel erteilte. „Eine allgemeine Umgestaltung der Fahrpläne in dem gewünschten Sinne ist auf alle Fälle ausgeschlossen. Dagegen wird vielleicht (!) demnächst bei einem oder dem anderen Zuge und namentlich bei der Einlegung neuer Züge, die direkte Zugdurchführung ermöglicht werden können und auch wirtschaftlich und zweckmäßig sein. Wir müssen uns jedoch hierüber weitere Entschließung für später vorbehalten.“ — Also abwarten, dann wirds vielleicht sich bessern!  Aus dem uns zugegangenen Bericht der Großh. Handelskammer Friedberg für die Kreise Friedberg, Büdingen und Schotten entnehmen wir folgende Mitteilungen über die wirtschaftliche Lage im Bezirk: Zum Personen- und Güterverkehr unseres Bezirks müssen wir konstatieren, daß die Eröffnung der Endstrecke Heldenbergen — Vilbel infolge der Schwierigkeit der Einmündung der Linie im Bahnhof Vilbel noch nicht möglich war und voraussichtlich im Herbst 1907 erfolgen wird.

 

Die Kölnische Zeitung vom 2. Mai 1908 veröffentlicht folgende Ausschreibung

 Die Ausführung von rund 135 Kubikmeter Erdarbeiten 1800 Kubikmeter Maurerarbeiten und 8000 Quadratmeter Wegbefestigungsarbeiten für die Verlegung des Bahnhofes Vilbel sollen im ganzen verdungen werden. Zeichnungen liegen im technischen Büro zur Einsicht aus. Angebotsmuster können von der Kanzlei für 2 M. bezogen werden. Zuschlagsfrist 4 Wochen, Vollendungsfrist 52 Wochen. Frankfurt am Main königliche Eisenbahndirektion.

 

Wenigstens wurde seitens der Bahndirektion, nachdem nur drei Jahre vergangen waren, den Klagen über zu wenige Züge entsprochen. So berichtet der „Gießener Anzeiger“ am  22.4.1910

Der neue Fahrplan.

Gießen, 22. April.

Der mit dem 1. Mai in Kraft tretende Fahrplan, der erste, der für das ganze Jahr aufgestellt ist, bringt für Ober-Hessen und die angrenzenden Gebiete manche Verkehrsverbesserungen, über die im Nachstehenden ein kurzer Überblick gegeben sei. ….

Eine wesentliche Verkehrsverbesserung wird auf der neuen Vogelsberg – Bahn (Frankfurt—) Vilbel —Heldenbergen- Windeckcn — Stockheim — Lauterbach dadurch erzielt, daß eine Anzahl Züge zwischen Vilbel und Stockheim durchgeführt werden. Hierdurch fällt das Umsteigen in Heldenbergen-Windecken fort und es braucht bei der Fahrt von Frankfurt nach dem Vogelsberg „nur noch zweimal —in Vilbel und Stockheim — umgestiegen zu werden. Immerhin dauert auch mit dieser Verbesserung die Fahrt von Frankfurt nach Lauterbach noch über 6 Stunden, kommt also für den Personenverkehr nicht in Betracht. Eine ursprünglich von der Bahnverwaltung in Aussicht genommene Verkehrsverschlechterung auf der eigentlichen Vogelsberg-Bahn, die namentlich auch für bei Touristenverkehr sehr schädlich gewesen wäre, ist durch den einmütigen Widerstand der Interessenten abgewendet worden. Es war nämlich beabsichtigt, daß der letzte Zug schon um 6 Uhr in Lauterbach eintreffen sollte. Auf den Einspruch der beteiligten Kreise hin bleibt es nunmehr bei dem jetzigen, 7.25 Uhr in Lauterbach eintreffenden Zug, der namentlich auch einen guten Anschluß nach Gießen ermöglicht. Auf dem südlichen Teil der Strecke wird ein Personenzug zwischen Vilbel-Nord und Heldenbergen-Windecken und umgekehrt eingelegt (ab Heldenbergen 6.36 abends.

 

Daß die Hessen auch aufmüpfig werden können, zeigte sich am 23. November 1910

Das Leipziger Tageblatt von 24 November 1910 meldet unter der Titelzeile: Ausschreitungen am Vilbeler Bahnhof   Vilbel, 24. November (Attentat auf die Eisenbahn), gestern Abend kam es am Bahnhof Vilbel zur Ausschreitungen, weil etwa 100 Personen einen Anschlusszug versäumt hatten. Die Leute griffen den Bahnhofsvorsteher an und bewarfen das Stationsgebäude mit Steinen. Auch zwei zu Hilfe gerufene Gendarmen wurden mit Steinen beworfen. Mehrere Personen wurden verhaftet.

 

Bei Ende des Ersten Weltkrieges erlebte das Liesi schwere Belastungen.

Ein Bericht des  „Erft-Boten“ vom  17.9.1918 schildert:

Der aus Stockheim nach Frankfurt abgehende letzte Personenzug wurde an einem der letzten Tage in Stockheim und allen anderen Haltestellen derart von Kartoffelhamsterern bestürmt, daß die Wagen nur einen winzigen Bruchteil der Menge zu fassen vermochte. Um den Leuten ein Übernachten auf den Bahnhöfen zu ersparen, fuhr der Zug zunächst alle Menschen die nur irgendwie in die Wagen hineingepresst werden konnten, nach Vilbel. Von hier aus kehrte er dann mit zahlreichen leeren Wagen zurück, sammelte unterwegs die zurückgebliebenen Volksmengen, nahm auf dem Heimwege in Vilbel die übrigen Hamsterer mit und dampfte dann schließlich nach Frankfurt, wo er mit mehrstündiger Verspätung eintraf.

 

Der Gronauer Pfarrer hält in  seinen Aufzeichnungen  aus dem Jahr 1918 fest:

Der Gronauer Bahnhof ist umlagert

Der sonst stille und friedliche Bahnhof in Gronau ist jetzt ständig belagert von den Hamsterern. Züge sind so besetzt, daß selbst in der zweiten Klasse oft kein Platz zu finden ist. Wenn es hier in Gronau nicht bald besser wird mit diesem Unfug, wird schließlich auch nichts anderes übrig bleiben als Militär aufzubieten. Das Auftreten der meisten Hamsterer ist  frech und unverschämt. Werden sie abgewiesen, so regnet es Schimpfworte, ja Drohungen. Um der unglaublichen Hamsterei ein Ende zu machen, sind auch hier  vorübergehend Soldaten eingezogen, die den Hamsterern die Kartoffeln  abnehmen. Natürlich kam es dabei zu erregten Auseinandersetzungen. Die Hamsterei aber hat ganz aufgehört.

Das „Liesi“ ,Gronau Bahnhof 2013, Foto H.Münchberg (copyright)

Natürlich wurden im Laufe der Jahre immer wieder Wünsche nach Verbesserungen der Verbindung geäußert.

Der „Gießener Anzeiger“ schreibt am  2.12.1922

Fahrplanwünsche aus dem Niddertal.

In Kürze soll eine Nachprüfung und Verbesserung des Fahrplans der Strecken Lauterbach—Stockheim—Frankfurt, Gießen— Gelnhausen und der anschließenden Verbindungen nach Friedberg usw.. stattfinden. Da erscheint es angebracht, daß diejenigen Gemeinden, die besondere Wünsche haben, diese umgehend an die Reichsbahndirektion Frankfurt berichten, denn mit bloßem Nörgeln wirds nicht besser. Die Wünsche der Anlieger der Strecke Stockheim — Gedern gehen vor allen Dingen auf folgende Verbesserungen:

  1. Frühere direkte Verbindung über Vilbel nach Frankfurt, etwa Weiterbeförderung des 7 -Uhr-Zuges von Stockheim nach Frankfurt.
  2. Spätere direkte Verbindung aus Frankfurt über Stockheim nach Gedern, etwa Weiterbeförderung des Zuges an Stockheim 9 Uhr bis Gedern.
  3. Besserer Anschluß an den Vormittagen nach Gießen, schon mit Rücksicht auf die Kranken, die in die Kliniken gebracht werden und jetzt in Stockheim über eine Stunde warten müssen.
  4. überhaupt Verkürzung des oft über ½ stündigen Aufenthalts der direkten Züge nach und von Frankfurt in Stockheim und Heldenbergen, Verkürzung der Fahrzeit zwischen Frankfurt und Stockheim, Durchfahren der direkten Züge zwischen Frankfurt und Vilbel.
  5. Bessere Verbindung nach Friedberg, schon mit Rücksicht auf die vielen Kriegsbeschädigten, die an das Versorgungsamt müssen.
  6. Spätere tägliche Verbindung aus Gießen.

Die Behörden, Handelskammern, die Landtags- und Reichstagsabgeordneten, die Gemeinden und Bürgermeister, und die Vertreter beim Eisenbahnrat werden gebeten, die berechtigten Wünsche der Bevölkerung energisch zu vertreten, damit auch die Bewohner des Landes und die Anlieger der Nebenbahnen zu ihrem Recht kommen.

Fährt auch bei Hochwasser, bei Kilianstädten 1983, Foto Ernst Bäppler (copyright)

Und noch ein Problem, welches das Stockheimer Liesi bis heute, immer wieder einmal begleitet.

Die „Honnefer Volkszeitung“ meldet am 10.2.1937

Köln, 10. Febr. Durch die außerordentlich starken Regenfälle der letzten Tage sind der Rhein und seine Nebenflüsse stark gestiegen. … Bei einer ganzen Reihe von Orten sowohl am Obermain als auch im weiteren Verlauf des Flusses ist der Main über die Ufer getreten, so bei Bamberg, Würzburg, Aschaffenburg und Hanau. Auch in Frankfurt selbst ist die Hochwassergrenze erreicht. Die Maininsel in Frankfurt ist bereits überschwemmt. Auch unterhalb von Frankfurt nach Mainz zu ist der Fluß an einer Anzahl von Stellen bereits über die Ufer getreten.

Von den Zuflüssen des Mains führt besonders die Nidda Hochwasser. Bei Bad Vilbel ist die Abzweigung der Eisenbahn nach Stockheim stellenweise überflutet.

Ausflug der Gronauer Jugendvereinigung mit dem Liesi, frühe 50er Jahre, Foto: Hoch

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Das „Stockheimer Lieschen“

Seinen landläufigen Namen verdankt
das Stockheimer Lieschen der früheren
Bahnhofsgaststätte in Stockheim, wo Reisende wie Bahnbedienstete gleichermaßen gerne bei Wirtin Liesel Brand einkehrten. Zunächst unter Bahnern, bald auch unter der Bevölkerung wurde die Fahrt „zum Lieschen“ nach Stockheim zum geflügelten Wort.

Quelle: wikipedia

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 Das Bahnhofsgebäude  „Gronau H.N.“ wird aufgegeben

Ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 1960 erschien mit der Überschrift : „Soll der Bahnhof sterben?“ Die Bahn hatte beschlossen, das Bahnhofsgebäude in Wohnungen umzubauen. Auch der Fahrkartenverkauf und die Güterabfertigung sollten geschlossen werden. Landwirte sollten in Niederdorfelden oder Bad Vilbel verladen; das waren damals allein etwa 100 Waggons mit Zuckerrüben. 250 Pendler nutzten täglich die Bahn und rund 60 kamen mit dem Fahrrad zur Bahnstation. Einzelfahrkarten mussten ab sofort beim Schaffner im Zug gelöst werden und Zeitkarten gab es in Bad Vilbel oder Frankfurt. Da gab es manche Probleme, weil der Schaffner bei voll besetzten Zügen bis zur Endstation nicht alle Fahrgäste kontrollieren konnte und so mancher Fahrgast noch keinen gültigen Fahrausweis hatte.

Ernst wurde es, als die Bahn den Wartesaal ausräumte und sogar begann die Türen auszuhängen und die Toiletten zu schließen. „Wenn sich die Bahn über den Rückgang der Fahrgäste beklagt, ist dies nach Meinung des Bürgermeisters allein auf ihr Verhalten zurückzuführen“, konnte man in der Zeitung im März 1960 lesen.

Das Bahnhofsgebäude ist längst abgerissen und Gronau ist eine Haltestelle geworden. Die gute Seite ist, dass jetzt alle Züge halten. Früher fuhren manche Züge von Bad Vilbel bis Niederdorfelden und weiter nach Kilianstädten (Schöneck) und Heldenbergen (Nidderau) ohne an den dazwischen liegenden Haltestellen anzuhalten.

 

 

 

Als Quellen zu diesem Beitrag dienten u.a.  „Deutsches Textarchiv“, „Deutsches Zeitungsportal“, „Eisenbahnzeitung“,  „Erft Bote“ Gießener Anzeiger“, „Honnefer Volkszeitung“,  „Kölnische Zeitung“ , „Leipziger Tageblatt“, „Zeitung des Eisenbahnvereins“