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Gronau Cowboys

von Hansfried Münchberg

Okay, wir hatten den Schuft dingfest gemacht!
Wir waren ihm fast durch ganz Wyoming gefolgt. Der Deputy des Albany-County-Jail in Fort Laramie war hocherfreut, als wir den Banditen, an Händen und Füßen mit einem Kälberstrick gefesselt, vor die Tür auf die Veranda warfen.

Nun saßen wir im milden Licht des warmen Sonnenuntergangs, den Oberkörper auf unsere Sättel gestützt, den Stetson lässig nach vorne geschoben, blinzelten in die untergehende Sonne, der Kaffee in unserer emaillierten Blechtasse duftete köstlich, leise knackte und knisterte das Holz unseres kleinen Lagerfeuers.

Im Hintergrund weideten unsere Pferde, die wir, wie bei Cowboys üblich, angehobbelt hatten.

Zwei Jungs als Cowboy verkleidet
Billy Jenkins und sein Neffe Tom Prox

Ja, er hatte es uns schwer gemacht, tagelang waren wir der Spur des Gangsters gefolgt, dabei waren unsere hervorragenden Kenntnisse im Fährtenlesen sehr hilfreich, viele Tricks hatten wir uns von den indianischen Spurensuchern abgeschaut, die bei der Cavallerie beschäftigt waren.

Selbst auf felsigem Gelände war es uns immer wieder gelungen, die Spur seines Pferdes aufzunehmen.

Bergauf, bergab waren wir geritten, hatten zahleiche Canyons durchquert. Von „Lost Springs“ im Norden kommend, waren wir durch den Rock Creek, immer entlang des Rock-River, den Laramie-Mountains folgend nach Süden geritten.

Kaum daß wir unseren treuen Pferden Ruhe gegönnt hatten, Tag und Nacht saßen wir im Sattel, nur ab und zu waren wir abgestiegen, führten die Pferde hinter uns her, wenn das Geröll im Gelände zu locker lag. Aber die beiden Stuten „Zamba“ und „Wilma“ hatten brav durchgehalten, hatten Hitze und Staub ausgehalten, hatten uns dem Gangster immer näher gebracht.

Wir, das waren mein Onkel Billy Jenkins, von seinen Eltern „Rainer“ gerufen und ich, sein kleiner Neffe Tom Prox, von meinen Großeltern „Hansfried“ oder einfacher „Hammes“ genannt.

Die Pferde die uns so treu und klaglos getragen hatten, waren Rainers Zamba und meine Wilma, hölzerne Apfelschimmel mit Schaukelkufen. Mit großem handwerklichen Geschick von meinem Großvater selbst hergestellt, beide hatten Pferdeschwänze aus echtem Pferdehaar, was den Pferden vom Bauern Böckel zu verdanken war.

Ein Kind auf einem Holzpferd
Zamba, hier geritten von einem Nachfolger, Thomas Hoc

Zamba
von Hansfried Münchberg

Die „Zamba“ dieses treue Vieh,
die trug uns bis nach Laramie.
Ein bißchen Hafer, etwas Heu
und für die Nacht ein wenig Streu,
sehr gut war dieses Tier zu haben,
es konnt` Galopp, es konnt` auch traben.
Durch Wind und Wetter, Tag und Nacht
hat sie uns so ans Ziel gebracht.
Doch war die Reise vorgegaukelt,
die „Zamba“ war ein Gaul der schaukelt!

Auf dem Rücken dieser Tiere erlebten wir grandiose Abenteuer, wir durchquerten halb Amerika, natürlich nur in der Phantasie, aber wir waren dort, ich schwöre es!

Edle Ritter und gute Kaufleute

Wir hatten keine Gameboys, Playstations, keine Wii- oder wie heute die Dinge zum Spielen alle heißen. Wir hatten liebevoll aus einfachen Materialien hergestellte Spielzeuge und viel Phantasie. Das half uns, in täglich neue Welten einzutauchen.

Zeichnung eines Ritters
„Ritter Sigurd“ in Lederhosen

Wenn wir mal ausnahmsweise nicht als Cowboy oder wahlweise als Apache unterwegs waren, waren wir im Normalfall edle Ritter.
In unserer Einbildung waren wir der tapfere „Sigurd“, der großmütige „Prinz Eisenherz“ oder „Dietrich von Bern“, Sagenfiguren die wir vom Durchblättern von Bilderbüchern, manchmal auch von frühen Comics kannten.

Wir waren ausgerüstet mit einem Zeitungshelm, einem Haselnuß-Stecken, den wir durch langes Bearbeiten zu einem Schwert geschnitzt hatten, oft sogar mit Verzierungen am Griff und einem kleinen Sperrholzteller versehen, der die Hand etwas schützte und einem alten Sperrholzbrett, das uns als Schild diente.
Mit unseren Schwertern droschen wir aufeinander ein, daß die Fetzen flogen. Klar, es gab ab und an mal eine Beule am Kopf oder einen blauen Fingernagel, aber wider alle Ermahnungen haben wir das locker überlebt.
Und keiner hat jemals den Anderen verpetzt, wenn man verwundet war, wurde eisern geschwiegen!

Kaufhauskönige

Kinder spielen Kaufladen
Kaufhauskönig Rainer Hoch (links) und sein
Neffe Hansfried Münchberg am Telefon.

Stand uns der Sinn nach drinnen spielen, weil es draußen zu nass war, war unser wunderbarer Kaufladen dran. Auch den hatte mein Großvater mit großen handwerklichen Geschick, viel Liebe zum Detail und ein paar Sperrholzplatten gebaut. Die zahlreichen Schubladen und Fächer waren gefüllt mit allem, was damals ein kleiner Laden zu bieten hatte. Kleine Schachteln“IMI, ATA, Kathreiner Kaffee“ (Muckefuck), Mehl, Zucker, Linsen, Erbsen, Bohnen. Alles gab es bei uns zu kaufen, leider auch nur in der Phantasie, denn im wirklichen Leben gab es damals so gut wie gar nichts. Das machte aber nichts, wir kamen uns vor, wie die Kaufhauskönige.
Wir hatten alles, was ein Laden damals hatte, eine Waage, ein Telefon, eine kleine Registrierkasse, die klingelte wenn die Geldschublade aufsprang, Spitze Papiertüten, Bonbongläser, sogar Regalbeleuchtung, eine gläserne Theke, kurzum wir waren perfekt eingerichtet.

Natürlich Fußball – („Ernst Kuzorra sein Ball“)

Kinder mit Ball

Wie alle Buben waren wir natürlich verrückt nach Fußball spielen, alleine, zu zweit, zu dritt oder mit soviel Mitspielern wie gerade zusammen gekommen waren. Wir traten nach allem was sich irgendwie rollend vorwärts bewegte und nicht zu schwer war.
Blechdosen wurden gekickt, Knäuel aus Lumpen mit dem Fuß geschickt in der Luft gehalten oder aber, wenn man ganz privilegiert war, dann spielte man mit einem richtigen Fußball.

Wir hatten einen Solchen, aber nicht irgendeinen, nein unseren Ball hatten Ernst Kuzorra und Fritz Szepan höchstpersönlich getreten.

Jedenfalls hat „Onkel Karlheinz“ ,von dem wir den Ball geschenkt bekamen, das immer wieder nachdrücklich versichert. Er war zeitlebens Mitglied bei Schalke 04 und hatte dort den stark abgenutzten Ball für uns abgestaubt.

Kein Zweifel, wer einen solchen Ball besaß, genoss hohes Ansehen auf dem „aale Hof“

Unser Tor war das Scheunentor, gerade so groß, daß man es beim Torschuß unmöglich verfehlen konnte.

„Rasende Holländer“

Natürlich gab es damals noch keine Kettcars, die waren noch nicht erfunden.
Für die Fortbewegung gab es ein Dreirad, einen kleinen hölzernen Roller und ein heute fast in Vergessenheit geratenes Gefährt „Holländer“ genannt.
Dieses Teil wurde mit der Kraft der Arme in einer Art Ruderbewegung vorangetrieben. Eine Deichsel wurde vor und zurück bewegt, diese übertrug die Kraft auf einen Kurbelantrieb, der die Hinterräder bewegte. Das ganze natürlich ohne Freilauf, so daß es häufig vorkam, daß man sich, sobald das Ding vorwärts rollte, alles Mögliche an der hin- und herschwingenden Deichsel einklemmen konnte, wenn man nicht den Oberkörper im Takt hin und her bewegte. Gelenkt wurde der Holländer mit den Füßen, die direkt auf die Vorderachse einwirkten.

Ohne Playstation spielen
und trotzdem stundenlang viel Spaß haben

von Rainer Hoch und Hansfried Münchberg

Wir brauchten damals für unsere Kinderspiele keine große Ausrüstung, ein paar „Klicker“ (Murmeln), ein paar Pfennige (bei Hochzeiten durch Seilspannen vor der Kirchentür aufgelesen), einen Gummiball, ein flacher Stein, mehr Ausrüstung brauchten wir nicht. Das ging alles ohne Netzteil oder Batterie.

Wir spielten miteinander, nicht jeder einzeln vor sich hin.Viele dieser Spiele sind heute leider bei den Kindern fast schon in Vergessenheit geraten.

Wir wollen versuchen, die gängigsten Spiele und Spielregeln noch einmal in Erinnerung zu rufen, wobei die Spielregeln variabel waren und immer vorher festgelegt wurden.

Sehr wichtig bei diesen Spielen war natürlich die vorhergehende Platzpflege, also das Säubern der wichtigsten Zonen von Sandkörnern oder ähnlichen Hindernissen (wie beim Golfen vor dem Putten).

Klickern, (Murmeln, Marmeln, Knicker)

Murmeln
Begehrte Objekte, Klicker aus Lauschaer Glas
(Foto Münchberg)

Beim Klickern wurde vorher ausgemacht, wieviel Klicker ( Würfe ) zum Einsatz kamen.
Zunächst wurde sorgfältig mit dem Schuhabsatz ein Loch in den Boden gedreht, und das gelockerte Erdreich sorgfältig entfernt.

Der Mitspieler, die meisten Klicker ins Loch brachte ( streng von einer Linie aus geworfen ), bzw. am dichtesten zum Loch lag, begann den Rest der Klicker mit gekrümmtem Zeigefinger zu “ schieben “ oder mit dem 2-Finger-Schnicksystem ins Loch zu befördern.

Wer den letzten Klicker ins Loch brachte hatte alle Klicker dieser Spielrunde gewonnen. Meiner Erinnerung nach war auch die Wertigkeit unterschiedlich. Ein bunter Glasklicker war ( glaube ich ) 5 Tonklicker wert und ein Stahlklicker sogar 10 Tonklicker oder 2 aus Glas.

Dittscheln

Es gab aber noch das Dittscheln (Hessisch: Dittschele) lange bevor Dittsche fürs Fernsehen entdeckt wurde.
Es wurde (aus Bargeldmangel) vorzugsweise mit Pfennigen gespielt.
Von einem, mit der Schuhlohle gezogenen Strich wurde begonnen.
Dies war deshalb möglich, weil noch nicht alles zugepflastert, zugeteert oder zubetoniert war.

Viele unserer Stadien wie „aale Hof“ oder „Dalles“ etc. hatten noch keinen Rollrasen, waren nicht beheizt und bestanden aus einem Lehmboden, der bei trockenem Wetter auch bespielbar war. Bei Regenwetter wurde auf Pitschedabbele umgestiegen.

Wir versuchten beim Dittschele die Münzen mit einer Flachwurftechnik ( wie beim Steinespringen am Wasser ) möglichst dicht an einer Mauer, oder wenn nicht vorhanden an einem aufgezeichneten Zielsstrich zu plazieren. Wer dem Zielstrich mit seiner Münze am weitesten angenähert war, durfte alle Münzen gehäufelt auf die Fingerkuppen einer Hand setzen. Dann mußten sie hochgeworfen und mit dem Handrücken wieder aufgefangen werden. Nun vom Handrücken wieder hoch und mit der gleichen Hand in Grapschfunktion möglichst viele durch letztendliches Handschließen nochmals gefangen werden.

Die bei diesen Vorgängen heruntergefallenen Münzen waren dann für den Zweitplazierten, der in gleicher Weise vorgehen musste. Für das Hochwerfen, Grapschen etc. gab es auch abgewandelte Techniken mit Ellenbogen und anderen einsetzbaren Körperteilen, für Fortgeschrittene. Die ungeschriebenen Regeln wurden natürlich vorher fixiert !

Hickeln

Hickeln (in Nord- /Westdeutschland auch Hinkeln oder Hopse genannt), war ebenfalls ein mit großer Ausdauer betriebenes Spiel. Nebenbei wurden damit auch die Körperkoordination, Gleichgewichtssinn und Rechnen geschult.
Man kann mit beliebig vielen Teilnehmern spielen.

Zeichnung eines Hickenkastens
einfacher Hickelkasten

Zu Beginn des Spiels haben wir den „Hickelkasten“ (auch „Hickelhäuschen“) auf den Boden gezeichnet, meist mit einem Stock in den lehmigen Spielplatz. Auch hier war uns wichtig, daß die Spielfläche vorher gut gesäubert war und keine Hindernisse im Weg lagen. Alsdann haben wir einen schönen flachen Hickelstein gesucht.
Er mußte groß genug sein, um ihn mit dem Fuß schubsen zu können, er mußte glatt sein, damit er rutscht und er durfte nicht zu rund sein, damit er nicht zu weit rollt

In unserer Variante haben wir den Stein jeweils von Feld 1 bis zu Feld 8 geworfen.
Hatte man das entsprechende Feld getroffen, so begann man loszuhüpfen (zu hickeln), das heißt, auf einem Bein zu hüpfen.

Feld 4 und 6 muß man dabei mit beiden Beinen betreten, um danach in Feld 7 wiederum auf nur einem Bein zu landen. Feld 8 ist wieder beidbeinig zu absolvieren. Hier (oft der Himmel genannt) darf man sich auch ausruhen. Anschließend vollführt man eine halbe Drehung und gelangt nun hickelnd wieder zum Anfang zurück, wobei man zuvor noch den Wurfstein ein Feld vor dessen Lage aufsammeln muss.

Begeht man einen Fehler bei Wurf (Stein landet außerhalb oder auf der Linie des ausgesuchten Feldes) oder Sprung (man tritt auf die Umrandung, vergisst einen Sprung, vergisst den Stein beim Rücklauf oder kommt aus dem Gleichgewicht und muss mit beiden Füßen den Boden an einer unerlaubten Stelle berühren), ist sofort der nächste Mitspieler dran.

10er Probe

Ein ebenfalls sehr beliebtes Spiel (vor allem bei Mädchen, aber auch wir Buben haben mitgespielt) war die 10er Probe.
Man benötigt dafür nur einen etwa faustgroßen Ball, am besten einen Gummiball. Mit diesem wird gegen eine glatte Wand gespielt. Wir spielten am liebsten gegen das große Scheunentor am „Aale Hof“, welches sich hervorragend eignete.

Man prellt den Ball zehnmal hintereinander mit der flachen Hand an die Wand.
Ist das fehlerfrei absolviert geht es weiter, wird ein Fehler gemacht, ist der nächste an der Reihe.
Neunmal den Ball mit der rechten Faust boxen
Achtmal boxenmit der linken Faust
Siebenmal doppelboxen ( mit beiden Fäusten gleichzeitig)
Sechsmal Ärmchen ( rechter Unterarm)
Fünfmal Ärmchen boxen ( abwechselnd Unterarm und Faust)
Viermal beten ( mit gefalteten Händen)
Dreimal Köpfchen
Zweimal Brust
Einmal Knie.

Hatten wir das geschafft, begann das Spiel einfach von vorn.

Die rasende Garnrolle-
– oder „Panzerschmiede Gronau“

War kein Spielzeug zur Hand, haben wir es, mit Kreativität und einem Taschenmesser, selbst gefertigt.

Wir nannten das Gerät „Panzer“, weil es so ähnlich aussah wie die Panzerketten.
Es erreichte für Kinderaugen eine rasende Geschwindigkeit, auch über Stock und Stein.

Die Strecke, die es zurücklegen konnte, einige Meter im günstigen Falle.

Man brauchte eine hölzerne Garnrolle aus Mutters oder Oma`s Nähkästchen, 2 Gummiringe, ein halbes, abgebranntes Streichholz, einen Kerzenrest und ein Stöckchen aus Weide, Erle oder Schwarzdorn, was gerade greifbar war.

Rainer Hoch hat dankenswerterweise dieses Spielzeug rekonstruiert, in einer Konstruktionszeichnung festgehalten und für die Nachwelt nachgebaut.

Konstruktionszeichnung
Monmtageanweisung
Fertiges Spielzeug

Man dreht an dem Stöckchen im Uhrzeigersinn und hört am besten auf, bevor die Gummiringe zerreißen, man hält den Stock fest, damit er nicht zurückschnellt. Dann legt man die Rolle auf eine Fläche und lässt den Panzer los.

Das Ding geht ab wie eine Rakete.

Vielleicht bauen Sie das Ihren Enkeln mal nach ?!!! Viel Spaß