Gronau im Kriegsjahr 1915

Feldpost-Briefe berichten von der Kriegsweihnacht 1914

Im Laufe des Monats Januar 1915 sind allmählich die Berichte der Gronauer Soldaten von der Weihnachtsfeier 1914 im Felde eingetroffen. Manche von ihnen habe in der heiligen Nacht bei verschärftem Wachdienst gestanden, andere haben mit den Kameraden im Schützengraben beim brennenden Lichtbäumlein eine schlichte, aber sehr bewegende Feier gehalten.

Postkarte
Feldpostkarte mit dem Text
Russisches Vaterunser – Väterchen Zar, der Du bist in Petrograd, vertilgt werde Dein Name, dein Reich verschwinde, Dein Wille geschehe weder im Himmel noch auf Erden, unser täglich Brot stehle uns nicht mehr und bezahle endlich deine Schulden…

Durchhalten!?

Der allgemeinen Kriegspropaganda folgend berichtet unser Gronauer Chronist Anfang des Jahres 1915:

„Während draußen auf den Kriegsschauplätzen richtig weiter gearbeitet wird an der Erkämpfung des endlichen Sieges, ist auch in der Heimat ein erfreulicher Fortschritt in den Bemühungen zum Durchhalten zu bemerken

Die Gronauer haben auch wieder eine reiche Kartoffelspende, etwa 40 Zentner, zusammengebracht, diesmal für das Diakonissenkrankenhaus in Hanau.

Vor allem aber ist seitens des Staates dafür gesorgt, dass eine sparsame und gleichmäßige Verwendung dieser Nahrungsmittel für die Volksernährung stattfindet. Diese staatlichen Maßnahme, mußte zum Teil recht tief in das Besitztum der Einzelnen eingreifen. Haben zwar nicht sofort überall Verständnis gefunden, werden aber mehr und mehr auch von denen, die die Notwendigkeit begreifen und dabei noch von der Habsucht von der stark beeinflusst sind als heilsam anerkannt werden müssen. Dank der vielen staatlichen Fürsorge wird der teuflische Plan Englands, unser Volk auszuhungern, mit Gottes Hilfe zunichte werden.“

Soldaten im Graben
Deutsche Soldaten in Frankreich, April 1915

Von Gronau sind große Mengen Kartoffeln nach Hanau und in einige größere Orte der Umgegend, zuletzt für zehn Mark den Doppelzentner, geliefert worden. Auch das Kriegsbrot, (Roggenbrot mit 10% Kartoffel Mehl Zusatz) hat sich gut eingebürgert.

Damit nichts vergeudet wird, werden von März ab Wertmarken ausgegeben, durch diese wird die Verteilung des Brotes auf ein halbes Pfund täglich für die Karten festgelegt wird.

Der Fleischverkauf muss stark eingeschränkt werden, da in Folge von Futtermangel bald nicht mehr genügend Fleisch zur Verfügung steht.

Zur Nahrungsversorgung muss mehr als bisher Zuckerrüben, Wild, und Gemüse verwendet werden.

Seitens der Behörden werden „wertvolle“ Ratschläge gegeben, wie ein beträchtlicher Teil des Viehs durch die Notzeit gebracht werden kann.

Der Chronist schreibt: „Es gilt nun, sich der nicht leichten Aufgabe zu unterziehen, alle die weisen Verordnungen und wertvollen Winke zur Durchführung zu bringen.

Der wirtschaftliche Kampf in der Heimat ist ja nicht weniger wichtig, wie der auf Kriegsschauplätzen. Hier wie dort muss tapfer durchgehalten werden. Bis zum möglichen Sieg.

Ein Stück sind vor ihm wieder näher gekommen durch die siegreichen Kämpfe dem Osten, wo Hindenburg den Feind unter höchsten Verlusten in der Winterschlacht von Masurengeschlagen und aus Ostpreussen hinausgetrieben hat.“

Zweimal im Februar haben die Gronauer Glocken Hindenburg Siege verkündet.

„Auch in Frankreich haben die deutschen Truppen dem Feind mit Erfolg die Stirn geboten und um England sind nunmehr seit dem 18. Februar unsere Untersee-Boote im Vernichtungskampf gegen die Frachtschiffe, die dem Feind gehören oder ihm Waffen und Nahrungsmittel zuführen wollen.“ schreibt unser Berichterstatter.

Von den Gronauer Soldaten gibt es zum Glück meist gute Nachrichten, nur Wilhelm Diehl hatte eine schwere Lungenentzündung durchzustehen und Jean Wenzel, Sohn des Friedrich Wilhelm Wenzel, hat bei Massiges eine Verwundung durch Granatsplitter davongetragen; der befindet sich im Lazarett zur Genesung

Die allgemeine Kriegspropaganda vermittelt dem Volk das Bild, der Feind erreiche mit allen seinen gewaltigen Anstrengungen keinerlei bleibenden Erfolg, und die Kräfte der deutschen Truppen und ihrer Verbündeten Kräfte seien nach wie vor unerschüttert. Aber die feindlichen Regierungen würden ihre Völker durch Falschmeldungen belügen, dass dort immer noch die Hoffnung auf den baldigen Sieg die fliehenden Kräfte neu belebt.

Allerdings macht sich inzwischen auch im deutschen Volk auch Verzweiflung und Verzagtheit bemerkbar.

Die in Gronau Verbliebenen sind besonders jetzt im Frühjahr 1915, bei der beginnenden Feldbestellung manchmal ratlos wie sie ihre Arbeit ohne die im Feld stehenden Arbeitskräfte bewältigen sollen, doch haben einige der Soldaten für die Frühjahrsfeldbestellung Urlaub bekommen, Zwei dürfen sogar aus Frankreich auf 14 Tage nach Hause.

Lebensmittel werden knapp

Viele Lebensmittel insbesondere Kolonial- und Fleischwaren sind jetzt kaum zu bekommen.

Es gibt allerdings noch Gemüse, Kartoffeln und Brot.

Damit lässt sich ganz gut leben.

Der Chronist bemerkt: „In dieser Zeit, da unsere Soldaten draußen Entbehrungen aller Art auf sich nehmen, dürfen wir in der Heimat den geringen Einschränkungen gegenüber nicht versagen. Es sind ja auch noch Geldmittel genügend im Land.

Unserem Landleuten, die für ihre Erzeugnisse sehr hohe Preise erzielen, fehlt es wenigstens daran nicht. Es ist darum auch in den monatlichen Sammlungen keine Rückgang der Beträge bei uns zu merken. Die Opferwilligkeit zeigt sich auch weiterhin in den zahlreichen Lebensmittelsendungen, die im Feldpost- Päckchen an die Soldaten von Angehörigen und Anverwandten gesendet werden.“

Zeichnung der zweiten Kriegsanleihe durch die Gronauer

An der zweiten Kriegsanleihe haben sich zahlreiche Gronauer beteiligt. Es werden im ganzen rund 50 000 Mark von hier aus gezeichnet worden seien. Zur Ablieferung des Geldes an die Reichsbank hat der Ortspfarrer mehrfach aufgefordert. Es sind infolgedessen noch die meisten Goldstücke, die in der Gemeinde waren zum Auswechseln abgeliefert worden.

Eine Keuchhusten Epedemie trifft die Kinder

Leider hat im März 1915 der Keuchhusten fast alle Kinder der Gemeinde nach und nach ergriffen. Zwei Kinder im Alter von einem Jahr sind bereits daran gestorben. Die Väter waren im Krieg und konnten der Beerdigung ihre Kinder nicht beiwohnen. Das eine Kind wurde, am 2. April das andere am 11. April unter großer Beteiligung der Gemeinde begraben. Weitere Opfer hat gottlob die Krankheit bisher nicht gefordert. Sie ist nun auch stark in der Abnahme begriffen.

Es scheint eine großartige Ernte bevorzustehen

Die Witterung für die Feldarbeit war so günstig wie möglich. So ist denn unter gegenseitiger Hilfe die Saat der Feldfrüchte in die Erde gekommen und bereits in kräftigem Wachstum begriffen und bisher wechselte immer zur rechten Zeit Regen und Sonnenschein, so dass das Wachstum auf den Feldern in einer Weise gefördert wird, wie es noch kaum jemand erlebt hat.

Der Roggen und die Wintergerste zeigen bereits kräftig entwickelte Ähren.

Auch die Baumblüte, war selten so reich und so allgemein bei allen Obstsorten war wie dieses Jahr. Die wegen der Frostgefahr gefürchteten Tage in der Mitte des Mai glücklich ohne jeden Schaden vorübergegangen. Die Obstbäume haben eine große Mende an Früchten angesetzt

Die Gronauer Soldaten draußen sind noch wohl, die wenigen Kranken und Verwundeten befinden sich in fortschreitender Besserung.

Die große Gronauer Glocke zerspringt am 18. Mai 1915

Erfolge des Heeres an der Ostfront

Der Mai begann mit einem gewaltigen Erfolg auf dem östlichen Kriegsschauplatz, wo deutsche und österreichische Truppen die russische Front auf einer Breite von etwa 100 km durchbrochen und die kampfstarken Husarteile des Feindes zum eiligen Rückzug genötigt haben.

Damit schien der Widerstand des Russenheeres zu Ende zu gehen.

Der Pfarrer bedauert: „Leider konnten wir diesen großen Sieg nicht mit dem üblichen Geläut begrüßen, da unsere große Glocke die im Jahr 1805 gegossen worden war, am 4. April, dem 1. Osterfeiertag, bei dem Zusammenläuten zur Nachmittagskirche gesprungen ist.“

Ihre Herstellung bzw. Erneuerung ist vom Presbyterium beschlossen und in die Wege geleitet.

Am 3. Juni wurde der Fall der Festung Przemysl durch Geläut gefeiert, ebenso am 23. Juni die Einnahme von Lemberg.

Allerdings wird erstmals berichtet über eine „im Feldheer leider hier und da fortschreitende Unsittlichkeit.“

Kriegsgefangene als Erntehelfer

Am Anfang des Monats Juni ist die Heuernte bei überaus günstigem Wetter eingebracht worden. Der Ertrag war sehr gut.

Zur weiteren Feldarbeit sind am 15. Juni etwa 20 gefangene Franzosen hier eingetroffen, mit deren Betätigung die Ernte zumeist recht gut eingebracht werden konnte.

Männer in Krankenbetten
Im Lazarett

Am 24. Juni 1915 erschienen in Gronau, auf Einladung des Ortspfarrers, 11 leicht verwundete Soldaten aus den Lazarett im Diakonissenheim in Wilhelmsbad, um Kirschen für ihre Kameraden zu pflücken. Mehrere Gemeindeglieder hatten ihre Bäume zur Verfügung gestellt. Es wurden etwa 3 Zentner Kirschen gepflückt. Die mitgekommene Diakonisse pflückte indessen grüne Stachelbeeren im Pfarrgarten (etwa 40 Pfund).

Außerdem wurden noch 20l Milch und 2 Körbe Salat gespendet. Vorräte und Helfer wurden am Abend vom Gutsverwalter des Gronauer Hofes nach Hanau gefahren.

Am 7. Juli waren noch einmal 2 Schwestern des Hanauer Diakonissenheimes hier, um im Pfarrgarten das übrige Beerenobst, etwa 50 Pfund zu ernten, sie konnten am Abend außerdem noch einige Spenden aus der Gemeinde, Kaffee, Zucker und Salat, mit nach Hanau nehmen.

Sehr trockener Sommer, Ernteerträge in Gefahr

Roggen und Weizen versprechen einen reichen Ertrag, Gerste und Hafer sind infolge der seit Wochen andauernden Trockenheit geringer ausgefallen. Auch ist in diesen regenlosen Wochen leider sehr viel Obst von den Bäumen gefallen. Trotzdem scheint der Ertrag an Äpfeln und Birnen gut zu werden

Italien tritt als Verbündeter der Feinde in den Krieg ein

Durch den Eintritt Italiens in den Bund der Kriegsgegner wird nun der Krieg noch einmal verlängert. Noch scheint die Lage der deutschen Truppen auf allen Kriegsschauplätzen gut.

Erntehelfer – einquartierte Soldaten und Kriegsgefangene Franzosen

August 1915. Der ersehnte Regen ist gekommen, wenn auch nicht so ergiebig, wie es zu wünschen gewesen wäre.

Doch hat er den Feldfrüchten wieder für einige Zeit aufgeholfen. Die Bergung der gut ausgefallenen Ernte ist nun bei günstigem Wetter in vollen Gang.

Etwa 50 Franzosen halfen dabei, auch nun und auch die hier seit dem 11. Juli einquartieren Soldaten der 4. Komp. des Ersatz Bataillons … Infanterie Regiment 116.

Einzelne Gronauer Soldaten sind außerdem auf Heimaturlaub aus Russland oder Frankreich zur Unterstützung ihrer Angehörigen bei der Erntearbeit gekommen.

Ersatz für die gesprungene Glocke

Das wichtigste Ereignis dieses Monats Juli 1915 für die Gemeinde war die Ankunft und das Hängen der neuen Glocke, die von der Firma Franz Schilling in Apolda geliefert worden ist. Sie trägt die Inschrift oben am Helm: “Franz Schilling Söhne Apolda gossen mich im Kriegsjahr 1915,“ und unten den Spruch: „Also sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“. Die neue Glocke ist 592 Pfund schwer, die alte ergab ein Gewicht von 580 Pfund. Am 26. und 27. Juli wurde unter Mithilfe von Soldaten durch einen Meister der Firma Schilling die alte Glocke vom Turm geholt und die neue hinaufgebracht. Die neue Glocke wurde ebenso wie die noch im Turm befindliche kleine Glocke nach einem neuen System aufgehängt, durch das ein bedeutend besseres Läuten der Glocken möglich ist.

Die Glockenweihe wurde am 1. August 1915 im Nachmittagsgottesdienst, der zugleich als Gedächtnisfeier der des Kriegsanfangs gehalten wurde, vorgenommen.

Die Gesamtkosten belaufen sich, unter Entfernung der alten Glocke, auf 560 M. (einschl. 14 M. für die beiden Glockenseile). Die Hälfte des Betrags bringt die bürgerliche Gemeinde auf, die andere Hälfte die Kirchenkasse.

1. September 1915 Einnahme der Festung Warschau

Zum ersten Mal seit das neue Geläut hing, verkündigt am 5. August bei dem Eintreffen der Nachricht von der Einnahme der Festung Warschau. Bald darauf kam die Kunde von der Eroberung der Festung …gard durch die Österreicher, das sind zwei gewaltige Erfolge die wohl der Welt zeigen werden, das Russland trotz seiner zahlenmäßigen Überlegenheit besiegt werden wird.

Erfolge an der Ostfront

Alle bedeutenden Festungen in Russland sind nach und nach gefallen.

So wurden in Gronau am 18. August den Fall von Kowno, am 20. VIII. den der Festung Nowo-Georgiewsk und am 26. August die Einnahme von Brest-Litowsk durch Glockenläuten gefeiert.

Gronauer Soldat gefallen

In den Kämpfen, die der Einnahme der Festung Brest-Litowsk in Russisch-Polen vorausgingen, ist auch ein Gronauer Soldat gefallen, nämlich Wilhelm Christian Wenzel, Sohn des Gemeindevorstehers Christ. Wilh. Wenzel. Er fiel bei Wojslawicz (?) südlich von … Am 25. Juli morgens um 9 Uhr. Im Walde nördlich des Gefechtsortes unter einer Eiche ist er begraben. Am 29. August hat die Gronauer Gemeinde in einer Gedächtnisfeier in der Kirche gedacht.

Der Chronist berichtet: „Von den anderen Kriegern der Gemeinde kamen bis jetzt gute Nachrichten. Groß ist bei allen die Friedenssehnsucht. Doch wissen sie auch, was auf dem Spiel steht und dass nur zähe Ausdauer uns einen Frieden bringen kann, wie wir ihn brauchen.“

Gute Getreide- und Kartoffelernte, Nahrungsmittel werden teuer

Die Getreideernte ist im vergangenen Monat gut zu Ende geführt worden. Nur der Hafer, der infolge der Dürre des Sommers spärlich geworden ist, hat auch noch unter dem einsetzenden Regen gelitten.

Nun wird eifrig gedroschen. Der Reinertrag an Roggen und Weizen erweist sich dabei als sehr gut.

Die Ernährung des Volkes im 2. Kriegsjahr wird als gesichert angesehen, zumal auch die Kartoffeln allgemein einen rechen Ertrag erbrachten.

Daß die Preise für Fleisch und andere Lebensmittel zur Zeit sehr hoch sind , sowie Kohlen knapp und teuer geworden sind, ist zum Teil in dem erhöhten Bedarf von Kriegsheer und Flotte zuzuschreiben.

Zum Teil sicherlich auch in gewissen Maße mit „unlauteren Machenschaften gewissenloser Haufen, dem unsere Regierung mit noch viel größerer Schärfe, als es geschieht, das Handwerk zu legen die Pflicht hat.“ wie der Chronist schreibt.

Anerkannt muß aber werden, dass die Versorgung unseres Volkes mit Brot vorzüglich durch den Staat geregelt ist, sodaß hierin wenigstens kein Wucher möglich ist. Alle die kleinen Beeinträchtigungen wollen und müssen wir gern ertragen, wir müssten uns fast vor unserem Kriegsheer schämen, das ja noch ganz andere Einschränkungen auf sich nimmt. Leben wir doch auch hier im Lande in Ruhe und Frieden und dürfen die Zuversicht haben, dass Gott unseren Waffen den endgültigen Sieg schenken wird.“

Am 3. September wurde durch Siegesgeläut die Einnahme der russischen Festung Grodnow in Gronau gefeiert.

Weitere Erfolge im Osten, Sechs verwundete Gronauer

Am 18 September 1915 fiel die Festung Wilna in die Hände der deutschen Truppen. In den Kämpfen um Wilna wurde am 25. August der Gronauer J. Fauerbach an seinem Oberarm verwundet. Weitere Verwundungen haben im Osten davongetragen: Karl …, der bereits wieder in Felde steht und H. Empter.

Im Westen wurde Fritz Empter verwundet und am Ende des Monats bei der großen französischen Angriffsbewegung die Brüder Johann und Georg Berthold. Sie alle sind aber von ihren Wunden genesen und ihren Familien erhalten geblieben.

Noch immer tobt der Kampf und wenn auch scheinbar das deutsche Heer gut steht, so ist doch noch kein Ende des Krieges zu erwarten, ja es wird sogar nun noch einmal auf dem Balkan zum Angriffskrieg gegen Serbien kommen unter Mitwirkung Bulgariens auf deutscher Seite.

Der Chronist schreibt: „Von neuem müssen wir uns also daheim mit Geduld wappnen und uns feste Entschlossenheit zum Durchhalten bis zum siegreichen Ende von Gott erbitten.

Daß diese Entschlossenheit im Volke mächtig ist, das beweist die Höhe der Zeichnungen zur 3. Kriegsanleihe –über 12 Milliarden Mark-, an der auch unsere Gemeinde mit mehreren Tausenden beteiligt ist. Manche Leute meinen freilich, sie könnten zur schnellen Beendigung des Krieges beitragen, wenn sie nicht mehr zur Kriegsanleihe zeichnen. Das haben deratige Ansichten zum Glück hier keine Anhänger gefunden.“

Russische Kriegsgefangene ersetzen Franzosen

Mitte des Monats wurden plötzlich die französischen Kriegsgefangenen hier weggebracht und durch Russen ersetzt.

Viele waren mit dieser uns unverständlichen Maßnahme nicht zufrieden. Doch haben die Russen sich zum großen Teil als kräftige Arbeiter erwiesen, die bei genügend Kraft gut und unübertroffen ihrer Arbeit oblagen.

Die Hauptarbeit des September galt der Obst- und Kartoffelernte. Birnen, Äpfel und Kartoffeln sind reichlich geerntet worden.

Das Schüttelobst wurde für 7 Mark den Doppelzentner verkauft, die Kartoffeln anfangs ebenso, gingen aber nachher auf 6,50 M herunter.

Große Vorräte sind in den Kellern angesammelt.

Es wird angenommen, daß es dem Volk auch im zweiten Kriegswinter nicht an der nötigen Nahrung fehlen wird.

Ende des Monats verließ die Einquartierung Gronau, um nach Büdesheim überzusiedeln. Einzelne Einwohner waren der Einquartierung …: “lange überdrüssig, hätten aber bedenken sollen, dass es immer noch besser ist, die eigenen Soldaten im Quartier zu haben, als große Scharen übermütiger und gewalttätiger Feinde.“

1. November 1915

Seit Anfang Oktober kämpfen Teile des deutschen Heeres auf einem neuen Kriegsschauplatz, in Serbien.

Am 6. Oktober haben sie die Morava überschritten, am 8. und 9. Oktober wurde Belgrad erobert, am 11. haben die Feindseligkeiten zwischen Serbien und dem mit Deutschland verbündeten Bulgarien begonnen.

Der Chronist bemerkt in völliger Verkennung der kommenden Zeit: „Es ist erfreulich, mit welcher Sicherheit und Klarheit unsere Heeresleitung arbeitet. Hinter der ungeheuren Kraftentfaltung unseres Vaterlandes und seiner Verbündeten steht der beherrschende Geist.

Das verleiht dem Volke Nähe und Siegeszuversicht. Bald wird der Weg nach Konstantinopel offen sein, und dann gilt der Kampf der englischen Weltmacht am Sinai und in Ägypten…. Auch ist gewiß unser aller Friedenssehnsucht, aber stärker ist der Wille auszuhalten bis zum siegreichen Ende des Krieges. … werden hoffentlich immer noch wirksame Maßnahmen unserer Regierung gegen feindliche Kriegstreibereien gefunden und durchgesetzt, damit die berechtigten Klagen der Beteiligten endlich aufhören.“

Die Ernte der Feldfrüchte ist im Oktober glücklich vollbracht worden.

Wieder ist ein Gronauer gefallen

Im Laufe des Monats November ist die Kunde aus Russland hierher gekommen, dass Johann Heinrich Fassel, Sohn des Georg Fassel am 20. September bei Kämpfen an der Bahnstrecke Wilna-Minsk durch Kopfschuß gefallen ist.

Diphtherie und Keuchhusten

5 Kinder aus Gronau sind 1915 teils an Diphtherie teils an Keuchhusten gestorben

Der Krieg war im Laufe des Monats auf allen Fronten für die deutschen Truppen erfolgreich. Das serbische Heer ist völlig geschlagen und zersprengt. Das Königreich Serbien hat aufgehört zu bestehen und wird evtl. unter Österreich und Bulgarien verteilt werden

Die Heeresleitung geht davon aus, daß dadurch das Tor nach dem Orient gesprengt und die Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen möglich geworden.

Gronauer U-Boot-Mann als Held?

Einigen Gronauer Soldaten ist das Eiserne Kreuz II Ordn. verliehen worden und zwar dem Zimmermann Joh. Karl Schmidt im Res. Inf. Reg. Batt. 88 und dem Schlosser Aug. Schaub, Heizer auf einem Unterseeboot. Schmidt hat, als sein Regiment (Batt. 88) irrtümlich von unserer Artillerie Feuer bekam, mit noch einem Soldaten den gefährlichen Gang nach rückwärts zur Aufklärung des Irrtums gewagt. Sein Kamerad fiel, er selbst kam nach Erfüllung seiner Aufgabe heil zurück.

August Schaub hat die Lusitania versenken helfen und hat den siegreichen Kampf seines Unterseebootes (U69) unter Kapitänleutnant Bräutigam aus Frankfurt mit den unter dänischer Flagge fahrenden englischen Handelsdampfer Lancaster II, der versenkt wurde, mitgemacht.