Die Gronauer Orgel – die „Sorgen“-Orgel

 zusammengetragen von Hansfried Münchberg

50 Jahre nach der Weihe der Gronauer Kirche, also im Jahr 1777  bekam die Kirche ein besonderes Juwel, das sie noch heute schmückt, eine barocke Orgel.

Ein Aufsatz von Walter Heil beschreibt dieses prächtige Werk.

Das dekorative Prunkstück der Kirche bildet die Orgel aus dem Jahre 1777, die der Hanauer Orgelbauer Henrich Jakob Sier  für 500 Gulden an die Gemeinde lieferte. Die Vorderseite, das sogenannte Prospekt, präsentiert die sichtba­ren Pfeifen und das schmückende, mit Ranken und Blumen reich verzierte Holzwerk. Die ganze Hochblüte der Kunst des Barock im 18. Jahrhundert. zeigt sich hier in dieser kleinen Dorfkirche in dem prunkvollen ornamentalen Schmuckwerk und dem elegant schwingenden Linienspiel. Die Überwindung aller Materie hat hier den Aus­druck der Leichtigkeit.

Das „Gesicht“ der Orgel ist durch acht Pfeiler und den dazugehörigen großen und kleinen Prosepktpfeifen in Teilwerke gegliedert, alles wird durch eine strikt gewahrte Symmetrie zusam­mengehalten und von vergoldeten, heiteren Ver-schnörkelungen festlich umrahmt.

Dazu treten noch als Lieblingsmotiv der Re­naissance, des Barock und Rokoko die beiden pausbackigen Putten, die eine Posaune in den Händen halten. Als Konsole für diese beiden ver­spielten Engelchen dient der geschwungene Gesimsaufsatz zu beiden Seiten der Pedaltürme des Prinzipal.

In dieser sakralen Baukunst entfalten sich rei­che Formen zu Großartigkeit und Würde. Es tönt mit einem Schwung das „Sursum corda – Empor die Herzen“ in den kirchlichen Raum.

Im Laufe der Jahrhunderte waren einige Repa­raturen nötig, bis im Zuge der Gesamtrenovie­rung 1968 ein neues Werk mit 11 Registern und 2 Manualen eingebaut wurde. Der optische Ein­druck wird durch den akustischen ergänzt, das Bild durch den vollen Klang.

soweit Walter Heil.

 

Der Orgelbauer Sier

Der Erbauer der Gronauer Orgel, Henrich Jakob Sier, in andern Quellen auch „Syer“ geschrieben, wurde 1740 in Nieder-Florstadt als Sohn des Orgelbauers Johann Friedrich Syer geboren. Er erlernte den Beruf des Vaters und führte dessen Orgelwerkstatt fort. Neben der Gronauer Orgel ist von ihm noch eine weitere Orgel erhalten. Diese steht in der Kirche von Vollnkirchen, am Rande des Naturpark Taunus.

 

100 Jahre später – reif für eine Reparatur

Etwa 100 Jahre später war die schöne neue Orgel aber ein Sanierungsfall, kein Wunder, war damals doch die Kirche nur in Ausnahmefällen beheizt, die Wände waren feucht vom Schwitzwasser, Feuchtigkeit setzt dem verwendeten Zink-Metall zu,die Mechanik der Orgel nutzt sich bei Betrieb ab..

So notiert der damalige Pfarrer Adolf Münch im Jahr 1891: „Die Kirche besitzt eine alte Orgel, deren Zinnpfeifen nach Aussagen des Orgelbauers derartig vom Zahn der Zeit zernagt sind, dass eine Reparatur der Orgel kaum noch möglich ist. Ihr Ton ist übrigens noch ein recht guter, sie hat 12 Register, Pedale und 2 Blasebalge.“

Da die Kirchengemeinde damals aber sehr unbemittelt ist, hegt es Hoffnung, daß sich die politische Gemeinde, die auch für die Instandhaltung des Kirchengebäudes und der Kirchhofsmauer zur Hälfte eintritt, auch für die Orgelreparatur einspringen werde.

Sparen für die Reparatur

Es ist aber wohl nicht zu einer Orgel-Reparatur gekommen, denn 20 Jahre später, 1911 schreibt der nun zuständige Pfarrer Gustav Boos:“ Da dahier gesagt werden muss, den Anstrich des Inneren unserer schönen Kirche zu erneuern und für die alte, nicht mehr reparaturfähige Orgel einen Ersatz zu schaffen, hat das Presbyterium beschlossen, allmählich Mittel für diesen Zweck anzusammeln und einen Orgelbaufonds zu gründen. In diesen Fonds sollen zunächst freiwilligen Gaben und etwaige Überschüsse aus der Kirchenkasse fließen.“

Der Gronauer Pfarrer Gustav Boos im Jahr 1916

Pfarrer Boos berichtet noch im gleichen Jahr:“ Am 12. November, abends 8 Uhr, wurde im Wenzelschen Saale eine Lutherfeier abgehalten, die vor über 300 Personen aus Gronau und Umland besucht war und vortrefflich gelang. Es wurde vom Kirchenchor das Pfannschmidtsche  Reformationsfestspiel für Chor, Deklamation und Sologesang aufgeführt Und sodann von Mitgliedern des Kirchenchores und anderen Gemeindegliedern das geschichtliche Schauspiel von Nithak-Stahn „Luther in den Oppenheim“ aufgeführt. Die Einnahme betrug 126,20 Mark, wovon 60 Mark unserem Orgelbaufonds zugeführt werden.“

 

Umsonst gespart

Aber schon bald war das Ansparen für die Orgelreparatur wieder hinfällig. Die Orgel musste zu „höheren“ Zwecken warten.

Der inzwischen amtierende und, der Zeit gemäß sehr nationalbegeisterte, Pfarrer Carl  Sopp notierte 1916: „Zur kräftigen Fortführung des Krieges wurde im März die 4. deutsche Kriegsanleihe aufgelegt. An dem erfreulichen Gesamtergebnis  von ungefähr 11 Milliarden Mark ist unsere Gemeinde mit 100 000 M. beteiligt. Von kirchlichen Geldern wurden 1100 Mark aus dem Orgelbaufonds gezeichnet. Das Ergebnis Vierten Kriegsanleihe wird nun unseren Feinden zeigen, dass sie uns auch finanziell nicht, ebenso wenig wie militärisch besiegen können. Ihre einzige Hoffnung ist nun noch die Aushungerung Deutschlands. Das wird, will`s Gott., auch dieses Hoffnung zuschanden werden.

Zu allem Überfluß wurden auch noch die Orgelpfeifen aus Zinn ausgebaut um das damals knappe Metall  für Kriegszwecke einzuschmelzen. Aus edlen wohlklingenden Tönen wurde Kanonendonner.

Der gleiche Pfarrer Sopp hielt dann aber 1919, nach dem verlorenen Weltkrieg fest: „….und vor allen Dingen bedarf  dringend die Orgel der Erneuerung. Die Festkollekte, die für die weitere Renovierung der Kirche verwendet werden soll, erbrachte 101 M.

Möchten die Mahnungen des Jubelfestes, die aus Predigt und Ansprachen herausklangen, nicht ungehört verhallt sein, dass die Gemeinde ihr Gotteshaus  in neuem Schmuck nun auch gern und fleißig besuche.“ und noch im gleichen Jahr: „Die Kirchen-Jubiläumsfeier Feier nahm einen schönen Verlauf. Leider wurde die Feier gestört dadurch, dass auf diesen Tag gerade die Gemeinde ihr Kirchweihfest gelegt hatte, wodurch viele Frauen vom Besuch des Gottesdienstes abgehalten wurden, weil viel Besuch von Auswärts gekommen war.

Die Erneuerungsarbeiten in der Kirche fanden volle Anerkennung, nur lässt jetzt der alte Ölfarbenanstrich viel zu wünschen übrig und vor allen Dingen bedarf  dringend die Orgel der Erneuerung.“

 

Eine Orgel für 15,9 Millionen Mark

Dann aber ging es voran, die Reparatur der Orgel wurde endlich in Angriff genommen und so berichtet der inzwischen in Gronau amtierende Pfarrer Ludwig Weber: „ …. kam die Orgel Bestellung wieder in Fluß, so daß wir sozusagen noch bei Torschluß, d.h. am ….zu einer gut funktionierenden Orgel kamen. Die im Kriege abgelieferten Zinn Orgelpfeifen wurden durch neue aus Zinn ersetzt, und die übrigen Register wieder hergestellt, was bei allem mit  alleiniger …. des Meisters möglich war. Die Arbeit ausgeführt von Meister Reinhard Schmidt, Orgelbauanstalt Gelnhausen, ist sehr gut geworden;

Die Kosten beliefen sich im ganzen auf 15 913 730 Papiermark. Sie wurden aufgebracht in freiwilliger Selbstbesteuerung der Gemeindemitglieder und zwar zuerst durch Abgeben eines halben Pfundes Weizen auch von kleineren Morgen von 20 ar umgerechnet in 750 M. Papiermark

…. außerdem durch ….. von 24000 Papiermark nach dem kleineren Morgen d.h. ….. ein halbes Pfund Kartoffeln bei einen Preis von 2 500 000 M. für den Zentner Kartoffeln und bei dem heraus ….. Preise von 4 bis 5 Millionen Papiermark für den Zentner Kartoffel gar nur ein viertel Pfund Kartoffeln. Gott der Herr helfe…“

 

Endlich repariert

Am 26. August 1923, dem Sonntag nach Bartholomäus , dem Kirchweihsonntag, wurde die neue herzergreifende Orgel eingerichtet, die mancherlei in den vorhergehenden Jahren …….?

 

Und schon wieder sanierungsbedürftig

Die Gronauer Pfarrstelle war während des sogenannten „Dritten Reiches“ einige Jahre (1941 – 1946) nicht besetzt. So kam es, daß die Kirche nicht beheizt und nicht gelüftet wurde, hinzu kam ein Schaden durch eine nahebei explodierte Luftmine, was zu erneuten Schäden an der Orgel führte.

Schon 24 Jahre später, im Jahr 1947 schrieb Pfarrer Horst Broscheit, der inzwischen die Gronauer Pfarrstelle angetreten hatte: „Die Gronauer Kirche im Sommer 1947, die Fenster sind teilweise mit Drahtglas oder Blech, teilweise gar nicht geflickt. Das Kirchhoftor wurde erneuert, es war völlig verfallen und das erste was wir in Angriff nahmen. Mauer und Tor hat, wie auch alle anderen Kirchlichen Gebäude, die politische Gemeinde zu unterhalten. Seit dem Jahr 1935 entzieht sie sich widerrechtlich dieser Pflicht. Die Fenster der Westseite sind am Schadhaftesten. Es dauerte bis zum Herbst 1948, als es nach der Währungsreform endlich Material gab, dass ernstlich an eine Erneuerung zu denken war.“

Die renovierungsbedürftige Orgel 1947

Sammeln für die Reparatur

Pfarrer Brocheit berichtet:“ So bin ich im Herbst 48 von Haus zu Haus gegangen und habe 250 DM erbeten.

Pfarrer Horst Broscheit, sammelte von „Haus zu Haus“ für die Orgel

Nur ein Bauer Fritz Wenzel, genannt „.??…fritz“ schloß sich aus mit den Worten „Bei mir können Sie nichts schnorren.“ Er war von 1935 – 1945 Bürgermeister dieses Dorfes. Die anderen Gemeindemitglieder hatten alle für die Erneuerung der Kirche etwas übrig.“

1948 notiert Pfarrer Broscheit zufrieden:„Im Jahr 1947 fand ich bei meinem Dienstantritt in Gronau eine völlig vernachlässigte, im Laufe der Jahrzehnte in allen Teilen defekt gewordene und daher zur  Begleitung  des Gemeindegesangs nicht mehr brauchbare Orgel  vor.

Die Orgel war unspielbar. Sie wurde im Jahr 1947 durch die Vilbeler Firma Schmidt und Hildebrandt vollständig ausgebaut und in sieben Monaten ein vollständiger Neubau vorgenommen. Zwei Register sind vom Wurm zerfressen und müssen erneuert werden; das Material ist auch erst jetzt, nach der Geldreform zu beschaffen. (Herbst 1948)

Es war erstaunlich, mit welcher Zuversicht die Herren Schmidt und Hinderland in Vilbel 1948 die  Erneuerung des 250 Jahre alten Instruments in Angriff nahmen. Mit unermüdlichem Fleiß haben  sie die Wiederherstellung zu einem unerwartet guten Ende geführt, sodass Kirchenvorstand und Gemeinde sich allen bei den Arbeiten Beteiligten dankbar verpflichtet wissen.“

Im Juni 1949 war die Orgel fertig hergestellt in ihrer alten schönen Form.

Die Kosten zu all diesen Arbeiten, einschließlich der Orgel (2000 RM) wurden in wenigen Wochen von der Gemeinde durch frw. Spenden aufgebracht.“

vermutlich 1955, Orgelempore

vermutlich 1967, die „neue Orgel“,diesesmal in Elfenbein-Farben

Aber bereits im Jahr 1967 /68 musste die Orgel erneut überholt werden. Der damalige Pfarrer Fitzner hält fest:„Die neue Orgel mit zwei Manualen und 11 Registern baute die  Firma Walker in Ludwigsburg anstelle der 1777 von Jacob Sier aus Hanau gemachten. Schreinermeister  Gerhard Wenzel hat auch die Schreiner-Arbeiten an Orgel und an der Empore 1967 gemacht.“

Aufnahmedatum unbekannt

Foto nicht datiert, Fotograf unbekannt, vermutl. 60er Jahre

Foto Christa Heinrich, Dezember 2008

    

Fotos Mick von Oppen (2022, copyright)