von Alfred Fischer

Genau weiß ich es nicht mehr, aber es muß beim Bauer Diehl in der Vilbeler Straße gewesen sein, wo wir mit großer Mannschaft zum Dickwurz Roppe antraten. Kinder waren für diese Arbeit recht begehrt, weil ihnen das Vereinzeln der Pflanzen meist flink von der Hand ging. Wie in der freien Wirtschaft wurde nach Angebot und Nachfrage gezahlt. In Bergen zum Beispiel waren Gronauer Kinder begehrt und man konnte bis zu 2,50 DM verdienen. In Gronau waren es in der Regel -,50 Pfennig weniger.

Die Arbeit war hart und ein Nachmittag bei brütender Hitze, auf den Knien rutschend , konnte verdammt lang werden. Mit Wettvereinzeln machten wir uns die eintönige Arbeit etwas abwechslungsreicher denn wer wollte schon Letzter sein am Ende der Reihe. Man freute sich auf die Pausen und natürlich auf den Feierabend. Da war es nämlich üblich, dass es Abendessen gab. Zu frischem Brot stellte die Bäuerin Hausmacher Wurst aus eigener Schlachtung auf den Tisch. Natürlich gab es auch was kühles zu trinken. Es sprach sich schnell herum wo gespart wurde. Bei einem Bauern in Rendel wurden uns einmal dünn geschmierte Leberwurstbrote hingestellt. Bei ihm sah man nie wieder Gronauer Kinder beim Vereinzeln.

Bis das Abendessen fertig war, durften wir noch ein wenig auf dem Hof herumtollen. Besonders beliebt waren dabei die Scheunen der Bauern, angefüllt mit Heu und Stroh. Man konnte über die senkrecht angebrachten Leitern hoch hinaufsteigen und dann von oben ins weiche Heu springen. Die Mutigsten kletterten bis auf den so genannten Katzenbalken, was den besonderen Kick beim Springen brachte.

Beim Krabbeln durch das Stroh schrie plötzlich einer überrascht auf und winkte die Umstehenden heran. Er hatte -versteckt unter einem Balken- ein Nest mit einer größeren Menge von Hühnereiern gefunden. Es kam wohl öfter vor, dass die frei laufenden Hühner nicht die Nester im Stall zum Eier legen nutzten, sondern eigene Wege gingen.

Beim näheren Hinsehen entdeckten wir ein Ei ohne feste Schale. Das weiche vom Ei wurde nur von der inneren Haut zusammengehalten und es war erstaunlich, dass es noch nicht geplatzt war. Wir hatten so etwas noch nicht gesehen erfuhren aber später, dass es sich um ein Windei handelte .

Wir holten einen Korb, sammelten die Eier ein und brachten sie der Bäuerin. Das Windei behielten wir allerdings für uns. Es würde sich sicher eine interessante Verwendung dafür finden.

Die Verwendung lief uns buchstäblich in die Arme als wir nach dem Essen auf die Straße kamen. Es war Werner Klopp, leider viel zu früh verstorben, der uns entgegenkam. Wer die Idee hatte Werners Mütze anzuheben, das Ei darunter zu legen, die Mütze wieder aufzusetzen und dem Ei mit leichtem Klaps den Rest zu geben, ist nicht mehr nachzuvollziehen.

Werner war eher überrascht über das was ihm gerade geschah. Erst allmählich, als nämlich das Eiweiß-Dottergemisch feucht und klebrig unter der Mütze hervorquoll und über Hals und Wangen lief erkannte er, was ihm passiert war. Gefolgt von unserem Gelächter und Gefeixe lief er laut schreiend und vor Wut heulend nachhause.

Er musste wohl die meisten seiner Peiniger erkannt haben, denn seine Mutter sprach uns später einzeln darauf an und machte uns ein schlechtes Gewissen. Werner sei ja wesentlich kleiner gewesen und hätte sich nicht wehren können.